Streiks, Streiks, Streiks: der Überblick

Ausstände bei der Post, im Nahverkehr und Krankenversicherung / Karstadt-Kollegen klagen gegen Kündigungen / Lufthansa macht Piloten Schlichtungsangebot / Bahnkonzern bietet Lokführern 4,7 Prozent

  • Lesedauer: 6 Min.

Brandenburg: Warnstreik bei der Paket- und Postzustellung

Überraschend haben in drei Post- und Paketverteilzentren in Brandenburg Warnstreiks begonnen. Betroffen von der ganztägigen Aktion sind Cottbus, Frankfurt (Oder) und die Stadt Brandenburg/Havel, wie die Gewerkschaft Verdi am Donnerstagmorgen mitteilte. Dadurch könnten Tausende Briefe und Pakete ihre Empfänger in den nächsten Tagen nur verzögert zugestellt werden. Berlin ist davon nicht betroffen. Ver.di fordert für die bundesweit rund 140.000 Tarifkräfte der Deutschen Post eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Damit will die Gewerkschaft die Vergabe der Zustellung an eigene Tochtergesellschaften mit befürchteten schlechteren Arbeitsbedingungen ausgleichen. In Brandenburg hatte es zuletzt am 17. April Warnstreiks gegeben. Die nächste Verhandlungsrunde soll am 8./9. Mai stattfinden.

Brandenburg: Streiks fast im ganzen Nahverkehr

Der Arbeitskampf bei den kommunalen Verkehrsbetrieben Brandenburgs ist am Donnerstag auf die meisten Landesteile ausgedehnt worden. Busse und Bahnen stehen nach den Streiks der vergangenen Tage in Nord- und Ostbrandenburg nach Angaben der Gewerkschaft Verdi jetzt auch in Westbrandenburg in den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Havelland und Teltow-Fläming sowie in den Städten Potsdam und Brandenburg/Havel still. Die Gewerkschaft Verdi hat damit die angekündigte Ausweitung des am Montag begonnenen Arbeitskampfes umgesetzt, nachdem der Kommunale Arbeitgeberverband kein neues Angebot vorgelegt hatte. Ver.di fordert eine Lohnerhöhung von 120 Euro brutto im Monat. Die Arbeitgeber haben jeweils 45 Euro in diesem und im nächsten Jahr angeboten. Einen zusätzlichen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder, den Verdi verlangt, lehnen die Arbeitgeber dagegen strikt ab.

Essen: Karstadt-Mitarbeiter klagen gegen Kündigungen

Bei der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt wehren sich Dutzende Mitarbeiter vor Gericht gegen ihre Kündigung. «Ja, es gibt Kollegen, die geklagt haben, um eine Weiterbeschäftigung zu erreichen», sagte der Betriebsratschef der Essener Karstadt-Zentrale, Arno Leder, der «Westdeutschen Allgemeine Zeitung» (WAZ/Donnerstag). Das Arbeitsgericht Essen bestätigte dem Blatt, dass bisher 65 Klagen eingegangen seien. Das Unternehmen wollte sich auf «WAZ»-Anfrage nicht äußern. Erste Verhandlungen seien für kommende Woche geplant, sagte Richterin Katja Buschkröger der Zeitung. Bundesweit hatten nach Angaben der Gewerkschaft Verdi etwa 1.400 Karstadt-Mitarbeiter eine Kündigung erhalten. In der Essener Hauptverwaltung sollen laut Betriebsrat rund 350 Stellen wegfallen.

Update 5.5.:
Gegendarstellung und Richtigstellung

«In einer Agenturmeldung von AFP vom 30. April 2015 mit der Überschrift 'Zahlreiche Karstadt-Mitarbeiter klagen gegen Kündigung' heißt es mit Bezug auf Ende März verschickte Kündigungen: 'Bundesweit hatten nach Angaben der Gewerkschaft Verdi 1400 Karstadt-Beschäftigte die Kündigung erhalten.' Hierzu stellen wir fest: Ende März wurden insgesamt 960 Kündigungen ausgesprochen. Essen, den 4. Mai 2015

Rheinland-Pfalz: Ver.di ruft zu Streik bei Krankenversicherung

Die Gewerkschaft Ver.di hat die Beschäftigten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK) für diesen Donnerstag zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Der MDK ist in Alzey, Koblenz und Kaiserslautern sowie Ludwigshafen, Mainz und Trier vertreten. Anlass sind die seit Januar laufenden Tarifverhandlungen. Ver.di fordert für die Beschäftigten 5,5 Prozent mehr Lohn und die Abschaffung der sogenannten variablen Vergütung. Diese Zahlung, die sich unter anderem an Unternehmenszielen und individuell vereinbarten Zielen orientiere, mache inzwischen sechs Prozent des Jahresentgelts aus. In dieser Zeit hätten die Beschäftigten auf lineare Gehaltssteigerungen verzichten müssen. Die Versicherung hätten für 2015 und 2016 jeweils eine lineare Steigerung der Vergütung um 2,2 Prozent sowie eine Umlegung der variablen Vergütung in einem Umfang von 2,7 Prozent auf die Tabellenentgelte angeboten. Zudem wollten sie eine sozial gerechtere »Zielerreichungszulage« einführen. Die Ver.di-Mitglieder wollten aber weder das alte Modell noch die Zielerreichungszulage.

Frankfurt am Main: Warnstreik bei der Internationalen Post

Im festgefahrenen Tarifkonflikt bei der Deutschen Post hat die Gewerkschaft Ver.di kurzfristig zu neuen Warnstreiks aufgerufen. Die Arbeitsniederlegungen ab dem späten Mittwochabend sollen die Internationale Post am Flughafen Frankfurt/Main treffen, eine Spezialniederlassung der Deutschen Post. Durch den Ausstand werde sich die Abwicklung von rund einer Million Briefsendungen und etwa 9.000 Paketsendungen aus dem gesamten Bundesgebiet ins Ausland verzögern, hieß es in der Mitteilung. Der Warnstreik sei eine Reaktion darauf, dass in der dritten Verhandlungsrunde am 27. und 28. April in Siegburg kein Durchbruch erzielt wurde. Für den 8. und 9. Mai haben sich beide Seiten in Berlin zu weiteren Verhandlungen verabredet. Hintergrund des Tarifstreits ist der Aufbau eines flächendeckenden Netzes in der Paketzustellung. Dazu wurden 49 regionale Gesellschaften unter dem Dach der Posttochter DHL Delivery gegründet. Dort werden die Beschäftigten schlechter bezahlt als in der Muttergesellschaft.

Bahnkonzern macht Gewerkschaft GDL neues Angebot

Im Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft GDL hat die Deutsche Bahn nach einem Spitzengespräch ein neues Angebot vorgelegt. Dem Vorschlag zufolge sollen die Löhne vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent steigen, wie die Bahn am späten Mittwochabend in Frankfurt mitteilte. Dazu komme eine Einmalzahlung von insgesamt 1000 Euro bis 30. Juni. Das Gespräch selbst brachte laut dem Unternehmen kein »einvernehmliches Ergebnis«. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber erklärte in einer Mitteilung: »Unser Angebot ist annähernd so hoch wie zum Beispiel der Abschluss im öffentlichen Dienst.« Er hatte sich am Nachmittag mit GDL-Chef Claus Weselsky getroffen. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Sie hatte zuletzt in der vergangenen Woche im Personen- und Güterverkehr gestreikt. Es war der siebte Arbeitskampf der Tarifrunde. Den Knackpunkt in den Tarifverhandlungen sieht die GDL bei der Einstufung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn.

Sinnkrise? Konzernlobbyist »fürchtet« um Gewerkschaften

Kurz vor den traditionellen Mai-Kundgebungen hat sich der Präsident des Verbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, beunruhigt über den Zustand der deutschen Gewerkschaften gezeigt. Der »Rheinischen Post« sagte er, er habe »die Befürchtung, dass die Gewerkschaften in einer Sinnkrise sind«. Als Beleg nannte er die Aufrufe zum 1. Mai: »Der DGB hat zehn oder elf verschiedene Plakate entworfen. Da fehlt es offenbar an klar identifizierbaren Themen.« Angesichts der guten wirtschaftlichen Entwicklung äußerte Dulger Unverständnis über »die dauernde Angstrhetorik so mancher Gewerkschafter«. Der Gesamtmetall-Präsident kritisierte vor allem die IG Metall für deren massive Warnstreiks in der jüngsten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie: »Wir hatten faktisch flächendeckende Streiks, die von langer Hand geplant waren und völlig losgelöst vom Verhandlungsstand durchgezogen wurden. Das darf sich nicht wiederholen.« Zwar gebe es ein Streikrecht, aber der Warnstreik sei eine Grauzone, so Dulger. »Über diese müssen wir intensiv reden - und notfalls auch per Gesetz für Klarheit sorgen.«

Lufthansa bietet Piloten Schlichtung an

Lufthansa geht im festgefahrenen Tarifstreit mit ihren Piloten einen Schritt auf die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit zu. Mitten in der Aufarbeitung des Germanwings-Unglücks bot Vorstandschef Carsten Spohr am Mittwoch der VC eine Gesamtschlichtung über alle offenen Tariffragen an und setzte damit ein Aufbruchsignal. Im härtesten Tarifkonflikt der Unternehmensgeschichte hat es seit April 2014 bislang zwölf Streikrunden gegeben. Spohr bezifferte die Schadenssumme inklusive aktueller Buchungsausfälle am Mittwoch auf inzwischen mehr als 300 Millionen Euro. Dem Unternehmen zufolge sind mit der VC sechs Tarifverträge offen, unter anderem zum Gehalt, zur Übergangsversorgung und zu den Betriebsrenten der rund 5400 Piloten der Gesellschaften Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings. Noch in dieser Woche könne man mit Gesprächen über die Person eines Schlichters beginnen. Es gehe im Sinne der Kunden darum, weitere Streiks zu vermeiden. Agenturen/nd

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