Attac will in Berlin für Schuldenkonferenz demonstrieren

Athen musste für IWF-Rückzahlung Notfallreserve nutzen / Griechenland hat noch für »ein paar Wochen« Geld / Eurogruppe geht nicht auf Regierung in Athen zu / Griechenland zahlt IWF-Kreditrate über 750 Millionen fristgerecht zurück

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 16.40 Uhr: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Kreisen zufolge die Notkredite für griechische Banken zwar weiter aufgestockt, aber in geringerem Umfang als zuvor. Die EZB habe die sogenannten Ela-Kredite (»Emergency Liquidity Assistance«) auf 80,0 Milliarden Euro erhöht, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Dienstag unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen. Damit stünden den Instituten 1,1 Milliarden Euro mehr als zuvor zur Verfügung. In der Vorwoche waren die Kredite um 2,0 Milliarden Euro aufgestockt worden. Laut dem Bericht haben die griechischen Banken noch einen Puffer von 3,5 Milliarden Euro, bis die Ela-Höchstgrenze erreicht ist. Die griechischen Banken leiden unter Mittelabflüssen in Milliardenhöhe. Bürger und Unternehmen räumen wegen der ungewissen Zukunft des von der Pleite bedrohten Landes ihre Konten leer. Bereits seit dem 11. Februar können sich griechische Banken nicht mehr direkt bei der EZB frisches Geld besorgen. Die Institute sind daher auf die teureren Notkredite angewiesen, die die griechische Zentralbank vergibt. Deren Umfang muss aber von der EZB genehmigt werden. Die EZB will die Kredite jedoch nur weiter leisten, falls es zu Fortschritten in den Verhandlungen mit Griechenland kommt.

Update 14.05 Uhr: Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat sich für eine europäische Schuldenkonferenz ausgesprochen, bei der die Verbindlichkeiten Griechenlands überprüft werden. »Die Erpressung Griechenlands durch die Troika-Institutionen muss endlich aufhören. Sie ist politisch verwerflich und ökonomisch brandgefährlich«, sagte Werner Rätz vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis gestern nach dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. »Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass Griechenland den durch die Austeritätspolitik weiter angewachsenen Schuldenberg abtragen kann. Das einzige Ziel der Troika-Institutionen ist es, der neuen griechischen Regierung vor dem unausweichlichen Schuldenschnitt noch so viele neoliberale Reformen wie möglich abzupressen und sich gegenseitig die letzten Reste vom Zinskuchen streitig zu machen.« Mit einer Demonstration am 20. Juni in Berlin will Attac zusammen mit anderen der Forderung nach einer Schuldenkonferenz Nachdruck verleihen. Die zentrale Frage sei nicht, »ob es einen Schuldenschnitt geben wird, sondern, wann und wie die Schulden erlassen werden. Ein Schuldenerlass ist unumgänglich«, so Attac. Man rufe dazu auf, sich im Rahmen einer europaweiten Solidaritätswoche mit der SYRIZA-geführten Regierung in Athen zu solidarisieren. Die Aktionswoche soll vom 20. bis 26. Juni stattfinden.

Update 13.30 Uhr: Griechenland hat für die Rückzahlung von 750 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf eine Notfallreserve der griechischen Zentralbank zurückgegriffen. Das Anzapfen des Dringlichkeitsfonds für »außergewöhnliche Bedarfsfälle« habe Notenbankchef Giannis Stournaras selbst vorgeschlagen, verlautete am Dienstag aus Zentralbankkreisen in Athen. Die linksgeführte Regierung hatte am Montag die 750 Millionen Euro an den IWF überwiesen. Auf dem Notfallkonto der griechischen Zentralbank lag nach Angaben Stournaras' bis zum Montag eine Reserve von 660 Millionen Euro. Die Institution hatte sich mit der Regierung und dem IWF darauf geeinigt, dass das Geld zur Begleichung der Schulden beim IWF genutzt werden konnte, hieß es aus den Zentralbankkreisen. Die verbliebenen 90 Millionen Euro kamen direkt aus der Staatskasse. In einer eigenen Erklärung teilte die Regierung am Dienstag mit, Kommunen und öffentliche Einrichtungen hätten bei der Zentralbank 600,3 Millionen Euro deponiert. Die Regierung hatte sie zuvor verpflichtet, ihre Reserven bei der Bank einzulagern, damit sich der Staat das Geld zur Überbrückung seiner kurzfristigen Finanzengpässe leihen kann.

Update 9.45 Uhr: Die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht hat der Bundesregierung erneut »Erpressung« der SYRIZA-geführten Regierung in Griechenland vorgeworfen. Kanzlerin Angela Merkel wolle »erst dann die nächste Überweisung an Athen freigeben, wenn die neue linke Regierung die weiße Fahne auf der Akropolis gehisst und ihre zentralen Wahlversprechen gebrochen hat«, kritisierte die Bundestagsabgeordnete. Die Bundesregierung nehme »durch ihre andauernde Erpressung Griechenlands vollkommen verantwortungslos Milliardenverluste für den deutschen und europäischen Steuerzahler in Kauf«, so die Fraktionsvizevorsitzende. Sie forderte »für einen möglichst großen Rest der Schulden« einen Schuldenschnitt sowie »eine Rücknahme der Kürzungs- und Privatisierungspolitik«.

Athen hat noch für »ein paar Wochen« Geld

Berlin. Griechenland hat noch für »ein paar Wochen« Finanzreserven, dies hat Finanzminister Yanis Varoufakis am Montagabend nach dem weitgehend ergebnislosen Treffen der Eurogruppe erklärt. Die Liquiditätslage Athens sei »ein schrecklich dringendes Problem«, sagte Varoufakis. »Das wissen alle, reden wir nicht um den heißen Brei herum.« Griechenland versuche, mit den internationalen Gläubigern einen »gemeinsamen Nenner« zu finden. Dies sei »nicht einfach«, in den letzten Wochen habe es aber eine »beträchtliche Annäherung« gegeben.

Dies wird zwar auch von den Gläubigern so gesehen, diese sind aber nicht bereit substanzielle Schritte in Richtung der SYRIZA-geführten Regierung zu machen. Nach dem Treffen in Brüssel sagte der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, es habe zwar Fortschritte in den Verhandlungen über die Bedingungen der Gläubiger gegeben, auch sei eine Beschleunigung in den Gesprächen erreicht worden. Dies reiche aber noch nicht aus. Auf Nachfragen von Journalisten sagte Dijsselbloem, Athen könne mit einer teilweisen Auszahlung rechnen, wenn es eine teilweise Umsetzung des laufenden Kreditprogramms auf Basis der Bedingungen der Gläubiger darlegen könne.

Eurogruppe erklärt »Fortschritt« - macht aber keinen
Treffen in Brüssel: Gläubiger pochen auf »mehr Zeit« - weiter offene Fragen im Streit um blockiertes Kreditprogramm / Verwunderung über Schäubles Äußerungen zu Referendum / Varoufakis: Werden keine Vereinbarung unterzeichnen, die keinen Weg aus der Krise - der Newsblog vom Montag zum Nachlesen

Laut EU-Währungskommissar Pierre Moscovici gibt es aber noch deutliche Meinungsunterschiede bei den geforderten Renten- und Arbeitsmarktreformen. Annäherung gab es hingegen bei der Mehrwertsteuerreform und der Schaffung einer unabhängigen Behörde für die Steuereinnahmen. Offiziell äußerte sich Eurogruppenchef Dijsselbloem nicht zu konkreten Fristen. »Wir brauchen diese Abmachung so schnell wie möglich, bevor Dinge schieflaufen.« Der Chef des Eurorettungsschirms ESM, Klaus Regling, ergänzte: »Es ist nicht mehr viel Zeit übrig.«

Die griechische Regierung hatte sich nach Angaben aus Athen von dem Treffen »eine positive Erklärung« erhofft, die es ermöglicht, einen Teil der im laufenden Kreditprogramm für Griechenland noch vorhandenen Milliarden zu erhalten. Anderseits setzt Griechenland darauf, dass die EZB die erlaubte Obergrenze für kurzfristige Staatsanleihen (T-Bills) anhebt, damit Athen flüssig bleibt. Dijsselbloem sagte dazu, die Eurogruppe könne der EZB nicht vorschreiben, was sie tun solle. Auch Varoufakis räumte ein, dass die Zentralbank von der Eurogruppe »keine Befehle« erhalten könne.

Die linksgeführte Regierung verhandelt seit Monaten mit den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Auszahlung aus dem laufenden Kreditprogramm. Während Athen seine finanziellen Verpflichtungen stets pünktlich erfüllt hat, ist nach Griechenland seit August 2014 kein Geld der Kreditgeber mehr geflossen. Die Gläubiger verweisen auf Bedingungen, die SYRIZA nicht erfüllen wolle. Tatsächlich hat die Regierung in Athen immer mehr Zugeständnisse gemacht.

In einem offiziellen Statement der Eurogruppe hieß es, »mehr Zeit und Mühe sind nötig, um die Lücken in den noch offenen Fragen zu überbrücken«. Es sei bekräftigt worden, dass die Vereinbarung vom 20. Februar »der gültige Rahmen« für die Debatte bleibe. Sobald auf Arbeitsebene eine Einigung über das laufende Kreditprogramm erzielt worden sei, würden die EU-Finanzminister über eine mögliche Auszahlung der ausstehenden Kreditgelder im Rahmen der derzeitigen Regelung entscheiden.

Es müsse »noch viel passieren«, bevor das Kreditprogramm für Athen Ende Juni auslaufe, sagte ein ungenannter EU-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP. Die Erklärung der Euro-Finanzminister sei »ein klares Zeichen, dass der Prozess fortgesetzt wird. Das ist schon was.« Ob es auch der Europäischen Zentralbank (EZB) ausreiche, wisse er nicht. »Sie haben ihre eigene Art und Weise, die Dinge zu tun.« Die griechische Regierung hatte sich nach Angaben aus Athen von dem Treffen unter anderem erhofft, dass die EZB die erlaubte Schwelle für kurzfristige Staatsanleihen (T-Bills) anhebt, damit Griechenland flüssig bleibt.

Derweil leitete Athen am Montag die fristgerechte Rückzahlung an den IWF über 750 Millionen Euro in die Wege. Die griechische Schuldenagentur PDMA sei am Montag mit der Transaktion beauftragt worden, erklärte das Finanzministerium in Athen. Die Rückzahlung wird am Dienstag fällig. Die nächste Zahlung an den IWF steht am 5. Juni an und beträgt 302,5 Millionen Euro. Zwischen Juni und August muss Athen insgesamt 11,5 Milliarden Euro an den IWF und die EZB zurückzahlen, was ohne Hilfe von außen kaum zu stemmen sein dürfte. Zudem muss das Land Interessenten für die Erneuerung kurzfristiger Staatsanleihen über drei und sechs Monate mit einem Gesamtvolumen von 9,2 Milliarden Euro finden. Agenturen/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal