Spionage: SPD verteidigt Kooperation mit der NSA

Fraktionschef Oppermann nennt Zusammenarbeit »richtig und unverzichtbar« / Weiter Blockade der Offenlegung der Selektoren / Mehrheit der Bundesbürger für Veröffentlichung der Spionageliste

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Berlin. Wegen der BND-Affäre um illegale Spionagebeihilfe des Bundesnachrichtendienstes für die NSA haben US-Nachrichtendienste offenbar ihre Aktivitäten in Deutschland ausgeweitet. Wie die »Bild am Sonntag« meldet, soll so verhindert werden, dass Staatsgeheimnisse der USA »verraten« würden. »Ab sofort ist Deutschland verstärkt Operationsgebiet«, zitiert das Blatt Geheimdienstkreise.

Im Kern geht es dabei um die angestrebte Offenlegung der so genannten Selektorenlisten mit den Suchworten, die der US-Geheimdienst NSA an den BND zum Ausspionieren europäischer Länder und Firmen gegeben hat. Ende der Woche waren neue Listen mit Suchbegriffen aufgetaucht. Die Dateien aus den Jahren 2005 bis 2008 umfassten 459.000 Selektoren, mit denen unter anderem europäische Institutionen, hochrangige politische Persönlichkeiten und Firmen im Ausland ausspioniert werden sollten, berichtete das Onlineportal des Magazins »Spiegel«. Nur 400 Selektoren wurden den Angaben zufolge aussortiert. Und: Die neuen Dateien zeigten, dass das Interesse der US-Dienste an Wirtschaftsunternehmen womöglich weitaus größer war, als bislang angenommen.

Die Opposition fordert die Offenlegung der Selektorenlisten. Dies wird in der Bundesregierung aber abgelehnt, weil man die Kooperation der Geheimdienste nicht gefährden will. Offenbar gibt es auch Druck aus Washington. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, er halte die Zusammenarbeit »aller westlichen Nachrichtendienste« richtig und unverzichtbar und erklärte gegenüber der »Welt am Sonntag«, die Bundesregierung könne es sich »nicht leisten, die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Diensten zu kündigen«. Deshalb plädierte Oppermann für einen Ermittlungsbeauftragten, der »das Parlament über das Ausmaß dessen, was falsch gelaufen ist, und die Gründe dafür genau informieren« solle. »Dafür ist es nicht erforderlich, geheimhaltungsbedürftige Details preiszugeben«, so der SPD-Politiker.

Seine Parteifreundin und Generalsekretärin Yasmin Fahimi stellte derweil der Kanzlerin laut »Bild am Sonntag« ein Ultimatum. Es müsse bis zum 8. Juni eine Entscheidung über die Offenlegung der Selektorenliste geben. Sie »erwarte, dass das Kanzleramt bis zur nächsten Sitzungswoche endlich Klarheit darüber schafft, wie der Bundestag in geeigneter Art und Weise die Selektorenliste prüfen kann«, sagte Fahimi. Ein Aussetzen dieser Affäre werde es mit der SPD nicht geben.

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte dies im Kurznachrichtendienst Twitter »lächerlich«. Die SPD habe schließlich gemeinsam mit der Union im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags noch in dieser Woche die Herausgabe der Listen verweigert.

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Patrick Sensburgvon der CDU sagte in Richtung der US-Geheimdienste, in der NSA-Spähaffäre dürften nicht Ursache und Folge verwechselt werden. »Der Auslöser für den NSA-Untersuchungsausschuss bei uns war doch ein gigantischer Datenabfluss und Geheimnisverlust aus dem amerikanischen Nachrichtendienst NSA und nicht beim BND.« Die Kooperation sei aber insgesamt »gut, positiv, und im Ganzen wollen beide Seiten nicht darauf verzichten«. Offenbar herrsche in Washington »eine hohe Sensibilität und, insbesondere nach der Veröffentlichung vertraulicher Mails zwischen Kanzleramt und amerikanischer Regierung, auch eine gewisse Unzufriedenheit«.

Eine Mehrheit der Bundesbürger ist für die Veröffentlichung der NSA-Spähliste, auf deren Basis der BND Informationen auch über deutsche Firmen und Personen an die NSA geliefert haben soll: 61 Prozent sprachen sich gegenüber Forschungsgruppe Wahlen dafür aus, die Liste dem Bundestag zugänglich zu machen, 31 Prozent sind dagegen. Befürwortet wird die Offenlegung vor allem von Anhängern der Linkspartei (82 Prozent), der Grünen (79 Prozent) und der SPD (67 Prozent). Aber auch unter den Sympathisanten der Unionsparteien ist die Zustimmung mit 46 Prozent noch vergleichsweise große. Bei der Frage der möglichen Konsequenzen, die eine solche Veröffentlichung auch gegen den Willen der USA mit sich bringen könnte, rechnen 46 Prozent rechnen damit, dass US-Geheimdienste der Bundesregierung dann wichtige Informationen vorenthalten werden, 44 Prozent glauben das nicht. Agenturen/nd

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