Yanis’ Tapes

Yanis Varoufakis und die Spekulationen in der Presse

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Gegensatz zur Medien-Darstellung musste der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in den letzten Tagen weder etwas »zugeben« noch »einräumen«. Auch hat er keine »Vertraulichkeit gebrochen« – das hat ein verleumderischer Anonymus besorgt, der von der Presse dafür noch gefeiert wurde.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat durch eitles und polterndes Auftreten seine Autorität so gründlich verspielt, dass ihn sogar seine europäischen Berufskollegen beim Treffen in Riga als »Amateur«, »Zeitverschwender« und »Spieler« beschimpft haben. Außerdem - und unabhängig davon - zerstört er leichtfertig das letzte Vertrauen der »internationalen Geldgeber«, indem er die Gespräche mit ihnen mitschneidet. Diese skandalöse Praxis hat er nun endlich auch »zugegeben« und »eingeräumt«.

Der erste Absatz fasst den Wissensstand von Bürgern zusammen, die sich in den letzten Tagen in den großen deutschen Medien informiert haben. Er hat mit der Realität ziemlich wenig zu tun.

Nach dem Euro-Finanzministertreffen in Riga von Ende April wurde in den großen deutschen Medien breit von Beschimpfungen gegen Varoufakis berichtet - auch wenn es diese Ausfälle dort gar nicht gegeben hat. Darauf jedenfalls beharren mit Varoufakis und dem italienischen Finanzminister Pier Carlo Padoan zwei an der Runde Beteiligte. Ihnen widerspricht ein anonymer Tippgeber.

Da aber fast die gesamte internationale Presse jenem Anonymus mehr Glauben schenkte als den beiden Ministern Varoufakis und Padoan, erklärte Varoufakis am 20. Mai der »New York Times«, dass er das betreffende Gespräch als Gedächtnisstütze aufgezeichnet habe. Er könne die Aufnahmen aber wegen der Vertraulichkeit der Sitzungen nicht veröffentlichen.

Varoufakis musste also weder etwas »zugeben« noch »einräumen«, noch hat er nun »Angaben der ›New York Times‹ bestätigt«, wie dieser Tage in allen großen Medien zu lesen war. Denn jene »Angaben« stammen von ihm selber. Auch wurde keine »Vertraulichkeit gebrochen«, wie sich viele Redakteure nun echauffieren - zumindest nicht von Varoufakis, der doch im Gegenteil darauf verweist. Die Vertraulichkeit wurde von einem verleumderischen Anonymus gebrochen, der von der Presse dafür noch gefeiert wurde.

Die griechische Seite hat im Schuldenkampf die besseren Argumente - moralisch wie ökonomisch. Es muss also nicht verwundern, dass der Konflikt unredlich personalisiert wird. Zudem kann es Journalisten ja passieren, dass sie einem verlogenen »Informanten« aufsitzen - auch wenn man sich wünschte, die Presse würde jener Hinterzimmer-Kultur mehr Skepsis entgegen bringen.

Zur Medienaffäre wird der Vorgang erst dadurch, dass der italienische Minister fast durchweg verschwiegen wird. Und dadurch, dass die mutmaßlich falschen Artikel über die Beschimpfungen nicht berichtigt werden. Und dadurch, dass Varoufakis’ Erwähnung des Tonmitschnitts aus dem Zusammenhang der mutmaßlich falschen Berichterstattung gerissen wird.

Wenn sich die großen Medien so einig sind: Welche Instanz, außer einem zahnlosen Presserat, könnte hier öffentliche Kritik formulieren? Ist die einzige Konsequenz, die diese Journalisten fürchten müssen, ein tadelnder Blog bei Stefan Niggemeier?

Varoufakis hat die Geschichte nun in seinem Blog zusammengefasst und kommt zu dem vorsichtigen Schluss: »Vielleicht ist es Zeit, dass wir gegenüber dem Journalismus etwas skeptischer werden.«

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