Werbung

Digitaler Rassismus

Nicht erst seit, aber mit Beginn der Pegida-Proteste verstärkt, entlädt sich der Hass gegen Flüchtlinge im Internet

  • Holger Reile
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Hemmschwelle Hetze im Internet abzusondern, ist niedrig, auch in den Online-Kommentaren von Zeitungen. Um so wichtiger wäre ein Eingreifen. Doch das passiert nicht überall. Beispiel »Südkurier«.

Im Februar zogen über 2000 KonstanzerInnen durch die Straßen und demonstrierten für eine bunte, tolerante und offene Stadt. Schon lange im Vorfeld hatte sich auch der Gemeinderat eindeutig gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus positioniert. Auf den Online-Seiten des »Südkurier« hingegen, der Tageszeitung vor Ort, durften sich durchweg anonyme Hassprediger lange Zeit hemmungslos austoben.

Monatelang das gleiche, üble Spiel: Berichtete der »Südkurier« über die Situation der Flüchtlinge vor Ort, dann hagelte es auf den Online-Seiten menschenverachtende und fremdenfeindliche Kommentare. Ende Mai, es ging um die bevorstehende Abschiebung zweier Roma-Familien, konnte man lesen: »Wir hätten sehr viele Probleme nicht, wenn wir nicht zum Traumland für viele Ausländer geworden wären. Diese müssen wir jetzt mit viel Geld ruhig stellen, damit sie uns in Ruhe lassen«.

Und es kam noch schlimmer: »Die Kinder sitzen bei uns in der Schule und verstehen nix. Man bringt denen zudem bei, dass man sich nur frech genug verhalten muss - es findet sich immer ein Dummer, der einen aushält«. Flüchtlinge wurden fast täglich als »kosovarische Wirtschaftsreisende« oder »afrikanische Sozialtouristen« verunglimpft. »Durch massenhafte Zuwanderung«, so andere Kommentare, »werden wir kontinuierlich zerstört, unsere Werte, unsere Kultur wird vernichtet.« Wer sich online gegen diese rassistischen Äußerungen und Hetzparolen verwahrte, wurde umgehend auf übelste Weise attackiert und als »Meinungsterrorist« und »linker Nazi« beschimpft. Die Online-Redaktion des »Südkurier« schritt nicht ein und ließ den aggressiven Mob gewähren.

Die Formulierungen glichen teilweise denen, die einem Flugblatt zu entnehmen waren, das kurz zuvor in der Stadt verteilt wurde und für dessen Inhalt die rechtsradikale Gruppierung »Der Dritte Weg« verantwortlich zeichnete. Den Deutschen stünde der »drohende Volkstod« bevor, wenn sie weiterhin Flüchtlinge aufnehmen würden, stand da zu lesen. Auf den Flugblättern waren aber auch die Adressen von Konstanzer Flüchtlingsunterkünften angegeben, sicher nicht, um dort Hilfe und Unterstützung anzubieten. Anderntags veröffentlichte die »Südkurier« Online-Redaktion eine Zuschrift, in der behauptet wurde, Roma hätten sowieso nichts anderes im Sinn, als »uns auszurauben«.

Nachdem die linke Internetpublikation »seemoz« ausführlich über die Hasstiraden berichtete, protestierten mehrere »Südkurier«-LeserInnen bei der Redaktion, darunter Kommunalpolitiker und auch Sozialbürgermeister Andreas Osner, dessen Dezernat viel mit der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu tun hat: »Fremdenfeindliche, rassistische und diskriminierende Äußerungen in jedweder Form verurteilen wir entschieden«, so Osner. Noch deutlicher wurde Grünen-Stadtrat Normen Küttner: »Diese verbale Gewalt und Herabwürdigung der schwächsten und wehrlosesten Menschen in unserer Stadt und in unserem Landkreis kotzt mich an.« Viele Konstanzer beschwerten sich in ähnlicher Form und forderten die Redaktion auf, dem Treiben auf ihren Online-Seiten unverzüglich ein Ende zu setzen.

Schließlich reagierte der »Südkurier« und löschte zumindest die übelsten Kommentare, die gegen Flüchtlinge gerichtet waren. Andere, wie beispielsweise massive Werbung für Pegida: »Feiges, faules deutsches Volk - steht endlich auf! Es ist Euer Land, geht auf die Straße!«, ebenfalls unter Pseudonym verfasst, werden indes weiterhin veröffentlicht. Dazu auch ein Link auf »Politically Incorrect«, eine islamophoben Hetzpostille, die hohe Zugriffszahlen aufweist und eine Scharnierfunktion tief hinein in die rechtsradikale Szene hat. Alles kein Ruhmesblatt für eine Tageszeitung, die regelmäßig mit stolzgeschwellter Brust auf ihre Auszeichnungen für guten Lokaljournalismus hinweist.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal