Verfassungsbruch eingestanden

Ukrainischer Präsident bleibt starker Mann / Linke Oppositions-Bewegung formiert

  • Ulrich Heyden, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Abberufung von Präsident Janukowitsch im Februar 2014 war ein Verfassungsbruch, räumte Nachfolger Poroschenko ein, und festigt seine Position.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko rüstet sich anscheinend für politische Turbulenzen. Das meint zumindest der Sprecher international nicht anerkannten »Volksrepublik Donezk«, Denis Puschilin. So hatte Poroschenko zum Wochenende erklärt, die Aberkennung des Präsidenten-Status von Viktor Janukowitsch durch die Werchowna Rada im Februar 2014 habe der Verfassung widersprochen. Offenbar fürchtet der amtierende Präsident, dass die Rada einmal auch gegen ihn vorgehen könnte.

Für die Regierung in Kiew wird es zusehends schwieriger, der Bevölkerung wirtschaftliche Einsparungen und weitere soziale Einschränkungen zu erklären. Die Popularität von Premierminister Arseni Jazenjuk ist stark gefallen. Doch Petro Poroschenko bleibt der starke Mann in der Ukraine. Dabei wird er offenbar von der US-Botschaft unterstützt.

Die starke Position Poroschenkos wird insbesondere daran deutlich, dass er zwei politische Schwergewichte aus ihren Ämtern entlassen konnte, ohne dass es zu politischen Turbulenzen kam. So wurde im März der Gouverneur von Dnjepropetrowsk, der Oligarch Igor Kolomoiski, entlassen, nachdem er mit seinen Sicherheitsleuten staatliche Energiefirmen besetzt hatte.

Der Geheimdienstchef Walentin Naliwaitschenko musste vergangene Woche gehen. Die Werchowna Rada billigte die Entlassung des SBU-Chefs. Für Naliwaitschenko stark gemacht hatten sich die Partei Udar von Vitali Klitschko und die rechte Radikale Partei von Oleh Ljaschko. Der fraktionslose Rada-Abgeordnete Borislaw Beresa wies gegenüber dem Internet-Portal Focus.ua darauf hin, dass Naliwaitschenko abberufen worden sei, nachdem er erklärte hatte, in der Generalstaatsanwaltschaft gebe es Korruption. Nachfolger wird der bisherige stellvertretende SBU-Chef, Wassili Grizaka.

Die linken Oppositionsparteien versuchen unterdessen ihre Isolation zu durchbrechen. Nach Aussagen des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, Petro Simonenko, laufen über 400 Strafverfahren gegen Mitglieder. Seit einem Jahr ist offiziell das Verbot der KP angestrebt. Sie und weitere vier linke Parteien, darunter die Progressive Sozialistische Partei von Natalija Vitrenko, gründeten am 12. Juni die »Bewegung linke Opposition«. Deren Hauptziel sei die Beendigung des Krieges, erklärte Simonenko.

Im Donbass ist die Bevölkerung besonders in den Randzonen der »Volksrepubliken« harten Belastungen ausgesetzt. Am 15. Juni kam es in der Stadt Donezk zu einem Protestmeeting vor dem Sitz der Regierung. Frauen forderten, dass die Kämpfer ihre Waffen aus Wohngebieten abziehen. Um sie zu besänftigen, kam Premierminister Aleksandr Sachartschenko und bat um Geduld. Er versprach, sich um die Umsiedlung aus beschädigten Häusern zu kümmern. Andere Teilnehmer des Meetings gingen davon aus, dass der Schutz der Zivilbevölkerung nur möglich sei, wenn die von ukrainischen Truppen freie Zone um die Großstadt ausgeweitet werde.

»Welcome to Dnipropetrovsk Senator John McCain and your delegation«, twitterte der US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt am Freitagmorgen. Gerade war die US-amerikanische Militärmaschine mit dem republikanischen Hardliner John McCain in der ostukrainische Stadt gelandet. McCain traf in der Industriestadt Mitglieder des Freiwilligenbataillons »Dnjepr-1«, die ihm versicherten, sie würden den Kampf »gegen Russland« weiter führen.

Waffenlieferungen an die Ukraine für 200 Millionen Dollar waren bereits Anfang Mai vom US-Kongress beschlossenen worden. Doch Barack Obama sperrt sich noch gegen die Lieferung von »tödlichen Waffen«. Aus anderen NATO-Staaten wurden sie jedoch Waffen geliefert. Vor der US-Botschaft in Kiew kommt es immer wieder zu Protestaktionen, so forderten vergangene Woche Demonstranten den Abzug amerikanischer Soldaten, die als Ausbilder tätig sind, und riefen »Yankee go home!«.

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