Obamacare löst Fusionsfieber aus

Die neue obligatorische US-Gesundheitsversicherung lässt Krankenkassen durch Zusammenschlüsse Kosten drücken

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenige Krankenkassen beherrschen den US-Markt. Doch die Einführung der obligatorischen Krankenversicherung hat nun ein Fusionsfieber ausgelöst.

Die fünf größten Krankenkassen der USA liefern sich einen Wettlauf. Dem Sieger winkt eine Fusion. Erst am Sonntag musste Anthem einen Rückschlag einstecken. Der Wettbewerber Cigna lehnte ein Angebot über 47,5 Milliarden Dollar (42,2 Milliarden Euro) ab. Die Offerte sei nicht angemessen und berücksichtige nicht, dass ein Anbieter mit insgesamt rund 87 000 Angestellten und mehr als 123 Millionen Kunden entstehen würde - eine Million dieser Kunden stammt aus dem Versorgungsprogramm der Regierung für Rentner, Medicare.

Cigna will seinerseits nun den Konkurrenten Humana übernehmen. Auf die hat aber auch das Unternehmen Aetna ein Auge geworfen. Der Wert von Humana soll bei 30 Milliarden Dollar liegen. Branchenprimus UnitedHealth hat es wiederum auf Aetna abgesehen. Zwischen 40 Milliarden und 64 Milliarden Dollar soll das Angebot schwer sein.

Das grassierende Übernahmefieber ist auf Veränderungen zurückzuführen, die die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama mit sich gebracht hat. Mit »Obamacare« ist jeder US-Amerikaner angehalten, eine Krankenversicherung abzuschließen. Und die Versicherer müssen ihrerseits jedem, der darum bittet, eine anbieten. Die Regierung schießt bei Geringverdienern Geld dazu und hält andererseits Versicherer sowie Krankenhäuser an, Kosten zu sparen. Zudem hat sie das Programm Medicare ausgeweitet, das von den Behörden der Bundesstaaten umgesetzt wird. Für die Versicherer bedeutet dies, sich mit unzähligen regional verschiedenen Vorschriften herumzuschlagen. Die Krankenkassen glauben, dass sie durch Fusionen und damit einhergehende Einspareffekte Verwaltungskosten einsparen können.

In der Branche werde bereits seit Anfang des Jahres über eine Welle von Fusionen und Übernahmen spekuliert, erklärten kürzlich Analysten der Deutschen Bank. »Die Branchenführer mobilisieren ihre finanziellen Reserven für den Entscheidungskampf über ihre Konsolidierung.« Dieser erhält durch niedrige Zinsen und die Erwartungen der Investoren auf hohe Gewinne zusätzlichen Antrieb. »Die Konsolidierung der Branche bleibt das Thema. Dabei will sie von niedrigen Kapitalkosten und möglichen Synergien profitieren«, meinen Analysten von der Investmentbank Oppenheimer.

Bei diesem Wettlauf wird es Verlierer geben. Experten erwarten, dass die Justiz und die Wettbewerbsbehörden lediglich eine oder zwei Fusionen genehmigen werden. UnitedHealth hat im vergangenen Jahr 130 Milliarden Dollar umgesetzt. Bei Anthem lag der Umsatz bei 74 Milliarden Dollar, bei Aetna waren es 58 Milliarden Dollar. »Wir erwarten, dass drei große Konzerne entstehen werden, nämlich UnitedHealth, Aetna-Humana und Anthem-Cigna«, schätzt Ana Gupte vom Marktforscher Leerink Partners in Boston.

Doch selbst die erwarteten Fusionen gestalten sich schwierig. Anthem verhandelt bereits seit einem Monat mit Cigna. Verträge mit dem Anbieter BlueCross BlueShield haben Anthem bislang davon abgehalten, in die Märkte von Cigna einzudringen. Wie sich diese Situation nach der Fusion darstellt, ist nach Meinung von Cigna bislang noch unklar. Außerdem soll der Anthem-Chef Joseph Swedish die Fusion umsetzen und danach das neue Gemeinschaftsunternehmen leiten. Cigna drückte darüber öffentlich seine Enttäuschung aus.

Doch selbst wenn solche Hindernisse überwunden werden können, droht von anderer Seite Ungemach. So wird der Oberste Gerichtshof sich in der nahen Zukunft erneut zu »Obamacare« äußern. Änderungen sind nicht ausgeschlossen.

Außerdem könnte es von einflussreichen Lobbygruppen Widerstand gegen die Fusionen geben. So ist zum Beispiel das Einkommen von Ärzten in den vergangenen Jahren gesunken, ein Trend der sich durch die »Obamacare«-Reform noch beschleunigt hat.

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