Betuliches und Rappendes

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn etwas Geschichte ist, kann es auch in der Gegenwart präsent sein. Das wissen wir nicht erst, seit Guido Knopp Deutschlands dunkle Historie zum Guten gedreht hat. Andy Borg zum Beispiel ist seit Samstag Geschichte, zumindest im Musikantenstadl. Dennoch wird er weiter durchs Volksmusikbiotop pilgern. Geschichte ist auch Stefan Raab, zumindest im Eventfernsehen. Dennoch wird die rührige Spaßkanone weiter durch sein Unterhaltungsrevier pirschen.

Mehr Geschichte als alle anderen ist Elizabeth II., seit das Inzestsystem vererbter Privilegien weitestgehend durch rotblütige Bevorteilungsmodelle ersetzt wurde. Dennoch hat es die Queen beim viertätigen Deutschlandbesuch bis Freitag unablässig ins Programm des royalistischen ARZDF geschafft. Und auch »True Detective« ist insofern Geschichte, als sich die sagenhaft gute US-Serie um je zwei Ermittler bizarrer Morde nie wiederholen lassen kann. Dachte man zumindest bis zur zweiten Staffel, die seit einer Woche auf verschiedenen Plattformen von Sky abrufbar ist. Mit neuem Starpersonal (Colin Farrell, Vince Vaughn, Taylor Kitsch) beweist der alte Showrunner (Nic Pizzolatto), dass sich Geschichte doch wiederholt.

Deshalb geht’s auch im Partyfernsehen für jung (Stefan) und alt (Andy) immer weiter. Borg etwa darf kommenden Samstag eine Nachfolgerin im Ersten beobachten, wo die DSDS-Siegerin Beatrice Egli nach der »ZDF-Ostershow« nun »Die Große Show der Träume« moderiert, was exakt so schlicht sein dürfte, wie es klingt. Und Raab? Turnt parallel auf Pro 7 seine Schlussbahnen bei »Schlag den Star« und hat seine Epigonen von Elton über Joko bis Klaas ja schon eingeritten. Da darf sich ihr Lehrherr mit kaum 50 getrost aufs goldene Kissen privater Millionengagen setzen und vorab auf 3sat der Frage nachgehen: »Macht Geld glücklich?« János Kereszti ist da nämlich skeptisch und fährt Donnerstag um 20.15 Uhr dokumentarisch durchs reiche Deutschland, um mit Menschen vom Aussteiger bis zum Lotto-Gewinner über wahren Wohlstand zu reden.

Vielleicht lässt Raab sich aber auch von einem inspirieren, der Besitz eher im Geistigen als bereichernd ansieht: dem Dalai Lama. Zum 80. Geburtstag am 6. Juli schenkt ihm Arte allerdings keine Blumen, sondern einen Themenabend über seine Heimat Tibet, an dem es bis elf Uhr wenig herzlich zugeht, angesichts der Okkupation durch China. Für etwas Entspannung sorgt da immerhin die Pro 7-Serie »Empire« (Mittwoch) um den HipHop-Mogul Lucious Lyon, der sein Reich im Stile King Lears mit viel Musik, Cross-Promotion und Schauwert ordnet, was inhaltlich oft erschreckend leer ist, aber überaus aufregend und in den USA äußerst erfolgreich.

Die US-Serie ist das Gegenteil von der »Kuhflüsterin«, eine Art deutscher Gegenpol zum Weltreich des Rap. Auf dem ARD-Schmunzelplatz (Freitag, 18.50 Uhr) spielt Cordula Stratmann darin eine westfälische Tierheilerin, deren Chuzpe ihr ganzes Dorf samt des Undercover-Cops nebenan aufmischt - was gelegentlich ganz putzig ist, aber vor allem sehr, sehr betulich.

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