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Schuld(en) gestern und heute

Griechisch-deutsche Debatte um die Reparationsfrage

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 2 Min.

OXI - diese drei Buchstaben, die im Griechischen für »Nein« stehen, sind nicht nur bei Protesten linker Kräfte in Athen dieser Tage allgegenwärtig - viele Griechen holen ihre T-Shirts und Fahnen wieder hervor, die sie während der Massenproteste gegen die Kreditprogramme vor Jahren damit beschriftet hatten. In Berlin sind es Aufkleber, die Unterstützer der SYRIZA-geführten Regierung auf ihre Hemden tragen. Ein Bogen mit OXI-Stickern in unterschiedlichen Farben und Schriften machte auch am Montagabend die Runde, als die LINKE in Berlin zu einer Konferenz zur Aufarbeitung deutscher Kriegsverbrechen in Griechenland einlud. Historiker, Aktivisten und Politiker der deutschen wie der griechischen Linkspartei diskutierten über Möglichkeiten der Wiedergutmachung des NS-Unrechts in den Jahren von 1941 bis 1944. Denn die Ausplünderung des Landes, die Massaker, die Schändung von Kulturgütern oder die Erhebung einer Zwangsanleihe sind »ungesühnt, aber unvergessen«, wie der Titel der Konferenz deutlich machte.

Das Thema Reparationen erfuhr in den vergangenen Wochen wenig Aufmerksamkeit - dies bedauerten alle Redner. Auch an diesem Abend überlagerten die aktuellen Ereignisse rund um einen etwaigen »Grexit« die Veranstaltung - Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht konnte ebenso wenig erscheinen wie der Büroleiter des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras.

In den Vorträgen und der anschließenden Diskussion war es vielen Anwesenden ein Anliegen, gerade im Zuge der Verhandlungen um die Zukunft Griechenlands auf mangelnde Vergangenheitsbewältigung hinzuweisen. »Es ist wichtig, dass die Frage der Krise jetzt in Verbindung mit der historischen Frage diskutiert wird«, sagte die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. Denn, so fragten die griechischen Gäste, wie sähe ihr Land aus, wenn es die Verbrechen nicht gegeben hätte? Konkrete Forderungen über Zahlungen, die Deutschland nun leisten solle, äußerten aber weder der Historiker Karl Heinz Roth noch die griechischen Vertreter. Die Aufstockung des Zukunftsfonds oder die Gründung einer Stiftung reichten jedoch nicht, hieß es einmütig.

Die Verbrechen wirken bis heute nach. So erzählt der SYRIZA-Abgeordnete Yannis Stathas, in dem Glauben aufgewachsen zu sein, Frauen trügen immer schwarze Kleidung - jede Familie hatte Opfer zu beklagen und entsprechend Grund zur Trauer. Stathas beließ es aber nicht dabei. Er rief auch zur Unterstützung seiner Regierung auf. Beim Referendum gehe es nicht nur um die Gläubigerforderungen. Die Frage lautet, so Stathas: »Wollen wir ein Griechenland und Europa, in dem Völker über ihr Leben entscheiden oder dass es ein paar Großkonzerne tun?« Ob sich die breite Masse für Ersteres findet, ist wohl genauso fraglich wie eine Mehrheit für Entschädigungszahlungen an Griechenland.

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