Unionsfraktion im Krisenmodus

Eine Zustimmung des Bundestages zu neuen Kreditverhandlungen steht fest, die Zahl derer im Regierungslager, die Merkels Kurs nicht mittragen, aber nicht

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Donnerstag traten die Fraktionen im Bundestag zu Sondersitzungen zusammen. Grund war die am Freitag geplante Abstimmung über neue Kreditverhandlungen mit Griechenland.

Eigentlich sind Parlamentsferien. Eigentlich ist jetzt die Zeit auch für Abgeordnete, mal alle viere gerade sein zu lassen, Urlaub zu machen. Doch die Parlamentarier waren gut beraten, dem Rat von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu folgen, der in der letzten Bundestagssitzung alle Abgeordneten zum Abschied gemahnt hatte, nicht so weit hinauszuschwimmen, weil ihre Anwesenheit im Bundestag kurzfristig vonnöten sein könnte. Deshalb und weil Bundestagsabgeordnete natürlich ohnehin über die aktuellen politischen Entwicklungen im Bilde sind, dürften an diesem Freitag im Bundesparlament nicht so sehr die Lücken in den Anwesenheitslisten das Problem sein, sondern eher die Frage nach dem »richtigen« Abstimmungsverhalten. Angesichts der anstehenden Frage des weiteren Verhaltens gegenüber Griechenland befindet sich besonders die Unionsfraktion selbst im Krisenmodus. Immerhin geht es nun, nach der Zustimmung Athens zu weiteren sparpolitischen Grausamkeiten, um die Zustimmung zu Verhandlungen über ein neues Kreditabkommen für Griechenland. Das ist etwas, das Teile der Union seit langem kritisieren und nun - unter Berufung auf ruinöse finanzielle Opfer Deutschlands, auch wenn solche bisher noch gar nicht gebracht wurden - mit einem Verrat an ihrer bisherigen griechenlandkritischen Argumentation identifizieren.

Krisenmodus heißt deshalb in diesem Fall: Die Fraktionsspitze der Union muss die eigenen Truppen auf Linie bringen. Anders als der Koalitionspartner SPD, der sich anschickt, in treuer Gefolgschaft dem derzeit eigentlich recht kritisch beäugten SPD-Chef Sigmar Gabriel zu folgen, zugleich aber auch das sozialdemokratische Verständnis von Solidarität mit Griechenland zu exekutieren. Und anders als die Grünen, die dem Kurs der Bundesregierung ebenfalls folgen werden, weil sie zwar mit den Details der Vereinbarungen der Eurogruppe mit Griechenland nicht einverstanden sind, aber eine schlechte Lösung besser als gar keine Lösung finden. Anders schließlich erst recht als die Linksfraktion, die sich als einzige geschlossen gegen die Vereinbarungen stellten dürfte. Es sei nicht der freie Wille von Syriza gewesen, dem erpresserischen Diktat des Gipfels zu folgen, hatten in einer Erklärung bereits Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden deutlich gemacht. Nur mit einem grundlegenden Kurswechsel weg von der Kürzungspolitik könne »die griechische Wirtschaft reanimiert, der Sozialstaat wieder hergestellt und letztlich auch der Schaden für die europäischen Steuerzahler minimiert werden«. Wer beim Referendum der Griechen am vergangenen Wochenende für ein »Nein« war, um weiteren Kürzungsdiktaten eine Absage zu erteilen, »kann jetzt nicht ›Ja‹ sagen!«

Die Unionsfraktion bildet - gänzlich ungewohnt - in diesem Fall die Fraktion mit den meisten Unsicherheiten, was das Abstimmungsergebnis angeht. Als sicher galt, dass die bisher als strikte Gegner weiterer Kredite für Griechenland auftretenden Kritiker wie Wolfgang Bosbach (CDU) oder Klaus-Peter Willsch von der CSU auch diesmal mit Nein stimmen werden. 29 Gegenstimmen hatte es bei der letzten Abstimmung zu Griechenland im Februar gegeben. 118 Unionsabgeordnete hatten ihr Ja mit einer persönlichen Erklärung verbunden, dass dies das letzte Mal gewesen sei. Die Hoffnungen der Bundeskanzlerin ruhten daher zuletzt auf Fraktionschef Volker Kauder, der in persönlichen Gesprächen Abgeordnete zur Zustimmung zu bewegen versuchte.

Anders als weiland Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht sich Merkel dank der erdrückenden Mehrheit der Koalitionsfraktionen im Bundestag jedoch nicht bemüßigt, zu faktisch gewalttätigen Mitteln zu greifen, um die Fraktionsdisziplin durchzusetzen. Sie kündigte an, auf eine Vertrauensabstimmung zu verzichten. Ein Signal an die Abweichler, dass sie deren Verhalten in Kauf zu nehmen gewillt ist. Doch dies ist eine Verabredung auf Zeit. Sollten die Verhandlungen mit Griechenland zum Ergebnis führen, müsste der Bundestag dem dann beschlossenen Paket erneut zustimmen.

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