Auf dem Weg zu Roma-Sonderlagern

Stimmungsmache gegen Flüchtlinge spitzt sich zu

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Forderungen der CSU nach Separierung von Asylbewerbern vom westlichen Balkan gewinnen an Unterstützung. Eine Studie zeigt derweil, dass eine medizinische Regelversorgung für Flüchtlinge vermutlich viel Geld sparen würde.

In der Asyldebatte wird der Ton bedrohlich. An Terrain gewinnen etwa Forderungen nach einer Sonderbehandlung von Asylbewerbern aus dem westlichen Balkan. Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Aydan Özoguz, hat sich für eine Separierung dieser Gruppe in speziellen Einrichtungen offen gezeigt, wie sie etwa Bayern plant. »Das ist durchaus eine Idee«, so die SPD-Politikerin im rbb-Inforadio. Man müsse »ehrlich« mit diesen Asylbewerbern umgehen.

Sonderlager für Westbalkan-Flüchtlinge - weit überwiegend Sinti und Roma - seien »abgestimmt« und Gegenstand des Flüchtlingsgipfels vom 18. Juni gewesen, so das Innenministerium gegenüber der Agentur AFP. Am Mittwoch hatte das dem Ministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der »Wirtschaftswoche« bestätigt, an »Ideenfindung und Abstimmung« dieses »Maßnahmenpakets beteiligt« gewesen zu sein.

Für Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat sind diese Pläne skandalös. »Das sind die Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus. Deutschland kann es sich nicht erlauben, sie in ein Abschiebelager zu stecken.« Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) lehnt solche Lager ab. Am Mittwoch hatte sich SPD-Generalin Yasmin Fahimi dagegen verwahrt.

Nach einem Bericht im Deutschlandfunk vom Donnerstag hat zudem BAMF-Chef Manfred Schmidt seinen Vorstoß erneuert, Flüchtlingen aus diesen Staaten im pauschalen Vorgriff auf das unterstellte Ergebnis des rechtsstaatlichen Asylverfahrens das »Taschengeld« von monatlich 140 Euro zu streichen oder zu kürzen.

Welche Stimmungen eine solche »Debatte« aufgreift und fördert, erlebt dieser Tage Rostocks Sozialsenator Steffen Bockhahn (LINKE). Nachdem er vorgeschlagen hatte, die nach dem Karlsruher Urteil zum Betreuungsgeld frei werdenden Mittel für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aufzuwenden, sieht er sich massiven Beschimpfungen ausgesetzt - bis hin zu drastischen Gewaltfantasien.

Wie irrational Debatten und Politiken mit Flüchtlingsbezug sein können, zeigt derweil eine im Fachorgan »PLOS ONE« veröffentlichte Studie zur Gesundheitsversorgung. Würde Flüchtlingen sofort und nicht erst nach 15 Monaten der Zugang zur Regelversorgung geöffnet, sänken die Kosten - entgegen landläufiger Meinungen - wohl erheblich. In der Zeit ohne Regelversorgung lägen die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben um 40 Prozent über den Kosten bei Asylsuchenden, die Anspruch auf Normalversorgung haben. »Umfassende präventive Maßnahmen sind in der Regel nicht Teil des Leistungspakets nach dem Asylbewerberleistungsgesetz«, erklärt dies der Forscher Kayvan Bozorgmehr vom Uniklinikum Heidelberg gegenüber »nd«. Es finde »überwiegend eine kurative Behandlung statt, die meist erst einsetzt, wenn Erkrankungen akut werden«. Dies sei in der Regel teurer - zumal Akutbehandlungen oft in Kliniken stattfänden.

Unterdessen spitzt sich die Situation auch in südöstlichen EU-Staaten wie Ungarn weiter zu - und strebt die EU laut dem ARD-Magazin »Monitor« Kooperationen mit autoritären Regimes in Afrika an, um Fluchtbewegungen zu ersticken, etwa mit Eritrea. Der LINKE-Außenexperte Stefan Liebich kritisierte dies scharf. Seiten 3, 5, 6 und 11

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal