Werbung

Die im Dunkeln sieht man nicht

Christian Baron über das digitale Berlin und die analoge Armut

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 2 Min.

Einst prügelte man die Menschen in die Fabriken hinein. Mittlerweile müssen sie förmlich wieder herausprügelt werden. So sehr haben die Leute die Erwerbsarbeit naturalisiert, dass sie ohne sie nicht mehr leben zu können glauben. Darum funktioniert die Verlagerung der abhängigen Schufterei hin zu den »digital Eingeborenen« so gut. Der freischaffende Nachwuchs übt sich in Selbstausbeutung und erwählt sich Berlin als unternehmerischen Spielplatz.

Denn »Berlin Partner« will die Hauptstadt in ein europäisches Silicon Valley verwandeln. Vor wenigen Monaten begab sich die Fördergesellschaft auf Inspirationssuche zu den Technik-Euphorikern in die USA. Was sie mitbrachte, sind eine klare Förderidee sowie eine Marketingstrategie, die Industrie und Startups als in gegenseitigem Nutzen agierende »Crowd« zusammenbringen. Das mag neue Arbeitsplätze geschaffen und das Image der Stadt verbessert haben.

Dass der Regierende Bürgermeister nun jedoch den Slogan »Arm, aber sexy« für obsolet erklärt, zeugt von einer Perspektive, die die Schattenseiten des Booms ausblendet: Die Gründerszene ist ein Biotop, in dem wenige erfolgreich sind, in dem viele scheitern - und aus dem mancher vom Burnout geplagt in der Psychiatrie landet. Völlig im Dunkeln bleiben dabei jene in unwürdigen Bedingungen lebenden Langzeiterwerbslosen, für die kein Platz mehr vorgesehen ist. Sie hoffen trotzdem, dereinst noch einmal in die veränderte Arbeitswelt zurückkehren zu dürfen. Gegen den betörenden Glanz der blühend Glückseligkeit versprechenden Erwerbsarbeitslandschaften ist eben noch kein Kraut gewachsen. Erst recht keine »Crowd«.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal