Der CO2-Markt ist blind

Jörg Staude über falsche Ansätze gegen den Klimawandel

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.
Emissionshandel – Der CO2-Markt ist blind

Wie wird man einen schädlichen Stoff los, der bei zu hoher Konzentration den Planeten unbewohnbar macht? Normal wäre, den Stoff zu verbieten und einen Ausstiegsplan zu entwickeln. Zuerst für die Bereiche, wo der Stoff einfach zu ersetzen ist, später für die schwierigen Fälle. Und wer gar nicht verzichten kann, wird gut kontrolliert.

So läuft es beim ozonschädigenden FCKW, so sollte es beim Plastemüll laufen. Herrscht aber der Glaube, der Markt könne alles und jedes regeln, kommt man auf die Idee, mit dem schädlichen Stoff Handel treiben zu lassen.

Dabei bekommen diejenigen, die mit dem Stoff umgehen, ein Kontingent zugewiesen, das mit der Zeit sinkt. Je nachdem, wie hoch die sogenannten Vermeidungskosten sind, werden zunächst diejenigen den Stoff ersetzen, die über preiswerte Alternativen verfügen. Später werden jene aktiv, für die der Umstieg teurer ist.

Das ist die Grundidee des europäischen Emissionshandels für das klimaschädliche CO2. Der sollte den ultimativen Beweis erbringen, dass der freie Markt Klimaschutz kann – ach was: dass der Markt der beste Klimaschützer ist. Nur: Die ersten 15 Jahre passierte im Emissionshandel nicht viel. CO2 ist klimaschädlich? So genau wissen wir das gar nicht, hieß es bis weit in die 2010er Jahre hinein. Auf jeden Klimaschützer kamen drei Klimaskeptiker.

Also wurden von dem schädlichen Stoff mehr Emissionskontingente verteilt, als betroffene Unternehmen überhaupt ausstießen. Munter wurden nach 2005 in Europa neue fossile Kraftwerke gebaut, Tausende Megawatt allein in Deutschland. Der Emissionshandel wurde zum Feigenblatt des Klimaschutzes.

Dennoch sanken die CO2-Emissionen: in Deutschland von 2005 bis 2020 um etwa 100 Millionen Tonnen. Aber nicht wegen des Emissionshandels, sondern aufgrund der per Gesetz geförderten erneuerbaren Energien und später durch den gesetzlichen Kohleausstieg. Bis heute ist keine Studie bekannt, die aufklärt, was der Emissionshandel real zur CO2-Reduktion beitrug.

Um dessen Existenz dennoch zu rechtfertigen, unterliegt der Emissionshandel einem steten politischen Reparaturbetrieb. So wurden überzählige Zertifikate in eine Marktreserve geschoben, mit deren Mechanismen sich Heerscharen von Experte*innen herumschlagen. Der ach so einfache CO2-Markt ist heute ein bürokratisches Monster.

Nur das Klima lässt sich von so viel Klimbim nicht austricksen. Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 und dem 1,5-Grad-Ziel geriet die Politik unter Druck, klimapolitische Erfolge vorzuweisen. Mitte des Jahrhunderts soll und muss die Welt klimaneutral sein.

So neigte sich die schöne Zeit im Emissionshandel ab 2020 dem Ende zu. Der CO2-Preis zog an. Neue Bereiche wie Gebäude und Verkehr sollen einbezogen werden. Ab 2040 soll es keine neuen Emissionsrechte mehr geben.

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Plötzlich geraten viele Unternehmen in Panik, so wie jetzt der Chef des Essener Chemiekonzerns Evonik. Es stellt sich heraus: Die letzten 20 Jahre haben sie keine Vorsorge getroffen, um den schädlichen Stoff loszuwerden. Der war nur eine Kostenstelle in der Kalkulation. Wie eh und je wurden Gewinne privatisiert und Umweltkosten sozialisiert. Klimaschutz erschöpfte sich weitgehend in Greenwashing.

Natürlich kann der Klimawandel jetzt nicht mehr in Abrede gestellt werden. Die Unternehmensvorstände und Berater passen sich an: Die wirtschaftlichen Schäden durch den CO2-Handel sollen jetzt größer sein als die Schäden durch den Klimawandel. So ist Politik weiter erpressbar.

Fazit: Wer mit einem schädlichen Stoff Handel treibt, wird ihn nicht los, sondern verlängert dessen Existenz. Für eine klimaneutrale Transformation ist der Markt ohnehin das falsche Instrument. Gegenüber dieser Aufgabe ist er blind.

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