Werbung

Kunst in Licht und Glas

Entwürfe für Kirchenfenster von Markus Lüpertz im KulturRaum Zwingli-Kirche

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Kirchenfenster gehören zur Architektur. Sie leben mit dem Tageslicht, schaffen sich wandelnde Lichträume. Ihrem inszenatorischen Reiz, ihrer beunruhigenden Magie hat sich auch der sonst die Selbstdarstellung und Provokation liebende »Malerfürst« Markus Lüpertz verschrieben. 1989/90 schuf er Fenster für die französische Kathedrale Saint-Cyr-et-Sainte-Juliette in Nevers, 2007 und 2010 wurden sieben Glasfenster für den Machabäerchor und fünf Fenster für den Marienchor der Kölner Dominikanerkirche St. Andreas fertig gestellt und vor zwei Jahren sieben Fenster der Dorfkirche zu Gütz bei Landsberg (Sachsen-Anhalt) eingeweiht.

Kirchenfenster-Entwürfe - Glasfenster, Gouachen, Aquarelle - seiner beiden letzten Aufträge werden jetzt im KulturRaum Zwingli-Kirche gezeigt. Für die Kölner Fenster war das Thema - die Pietà im Marienchor und der Reliquien-Schrein der Machabäer im Machabäerchor - vorgegeben, das Lüpertz in einer zeitgenössischen Formensprache umgesetzt hat. Das Leiden der alttestamentarischen jüdischen Märtyrer, der Machabäer, wird typologisch der Passion Christi gegenübergestellt, während die Marienfenster den Bogen zum Heiligen Albertus Magnus schlagen (seine Gebeine ruhen in der Kirche) und dessen Lehrsätze wiedergeben. Die elementare Entfesselung der Farben und Formen ist einer kontrollierten Bildregie unterworfen: Köpfe, Gesichter, Augen hinter Vernetzungen und Gittern, verbrennende Menschen, Folter und Tod, alle möglichen Formen und Gebilde im Rhythmus der Bildkonstruktion. Bewegung, Verwandlung und Kontrapunktik als Methode der Erfindung. Damit fügen sich die farbigen Fenster in das Raumgefüge der Andreaskirche ein.

Dagegen handelt es sich in Gütz um eigenständige Ergänzungen schadhafter Fenster aus dem frühen 20. Jahrhundert, die Porträts von Petrus, Paulus, Luther und Melanchthon zeigen. Lüpertz strebte eine »zuneigungsvollere Verbindung zwischen Alt und Neu« an, er fügte dem schreibenden Luther, dem lehrenden Melanchthon voluminöse Hände und Füße hinzu, und Christus, den Weltenherrscher, ließ er mit Wundmalen an den Füßen wieder ans Kreuz zurückkehren. Eine Einheit des Werkes sollte aus heterogenen Elementen erreicht werden. Das dynamische Gegeneinander verschiedener Gegenstandssphären ist überhaupt ein Kennzeichen seines künstlerischen Werkes. Fragmentierte Körperteile werden zu vielschichtigen Inszenierungen verbunden.

Der »Gützer Engel« dagegen ist eine Eigenerfindung wie auch zwei Darstellungen auf den Seitenfenstern, die als Themen - »Der Wiederaufbauer« und »Der Wegschauer« - allerdings vorgegeben wurden. Das sind Gestalten, unproportioniert, aber nicht schwerfällig wirkend. Das Rohe gibt sich als das höchst Artifizielle zu erkennen, das Monströse als raffiniertes, zielgerichtetes Kalkül, die Fragilität als Hybris. An einem Motiv werden unterschiedliche bildnerische Verfahren - kontrapunktisch - erprobt. Diese Motive sind wie vollplastisch in den Bildraum gesetzt. Es ist, als ob sie durchsichtig geworden sind, durchlässig für dichte, opake, dunkle, geheimnisvolle, klare, bewegte, fließende oder starre Welten, die sich diesseits und jenseits der Realität und ihres Zitats auftun.

Dass dem modernen und aufgeklärten Menschen durch die Kunst nicht mehr zwingend fertige Gewissheiten vermittelt werden, sondern eher die Freiheit der Selbstvergewisserung, das zeigt sich in den Arbeiten von Lüpertz auf eindrucksvolle Weise. Sie provozieren Fragen nach dem Leben und der Verwandlung. Die erzählerische Anschaulichkeit steigert sich dabei zur dramatischen Inszenierung. Ob es sich nun um Gitterstrukturen, parallelisierende Streifen, Webmuster oder Splitter-Technik handelt - Lüpertz findet zu einer eigenen Bildgrammatik und Bildrhetorik, innerhalb derer er die Fläche als energiegeladenes Kraftfeld auffasst, in der das Auge des Betrachters in Bewegung bleibt.

Gegenwärtig gestaltet der Künstler Glasfenster für die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirche St. Elisabeth in Bamberg, vor der bereits die Lüpertz-Figur »Apoll« steht.

Markus Lüpertz Kirchenfenster. Entwürfe - Gouachen, Aquarelle. KulturRaum Zwingli-Kirche, Rudolfstr. 14, Friedrichshain. Fr-Mo 15-19 Uhr, bis 10. August. Broschüre 3 Euro.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal