Ramelow fordert mehr Entwicklungshilfe für Balkan-Staaten

Debatte um Flüchtlinge aus Osteuropa wird schärfer / LINKE kritisiert angekündigte Wiedereinreise-Sperren / CDU-Vize Klöckner: Niedrigere Standards für Flüchtlingsheime

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 14.40 Uhr: Ramelow fordert mehr Entwicklungshilfe für Balkan-Staaten
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) fordert mehr deutsche Entwicklungshilfe für die Balkan-Staaten. Dazu solle die Bundesregierung mit den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, die noch nicht in der EU sind, und Albanien Entwicklungsvereinbarungen schließen, sagte Ramelow der Tageszeitung »Die Welt« (Onlineausgabe vom Wochenende).

Diese Vereinbarungen sollten neben wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven auch die Ausbildung von jungen Menschen und eine geregelte Arbeitsmigration umfassen. »Die Entwicklungspakte wären für alle Beteiligten die optimale Lösung«, sagte der Erfurter Regierungschef mit Blick auf die hohe Zahl von Asylbewerbern aus dem Balkan.

Laut Ramelow muss der Bund auf allen Ebenen mehr tun, um das Asylsystem zu entlasten. »Der Bund ist hier klar in der Verantwortung. Europa kann sich keine Armutsstaaten an seinen Rändern erlauben.« Die Balkan-Staaten bräuchten »Prosperität und eine europäische Perspektive«.

Die Balkan-Länder werden bereits aus dem Etat des Entwicklungsministeriums unterstützt. 2014 erhielt beispielsweise das Kosovo rund 33 Millionen Euro. Nach Serbien flossen 157 Millionen Euro. Etwa die Hälfte der Asylbewerber kommt derzeit aus Balkan-Staaten. Ihre Anträge haben in Deutschland kaum Aussicht auf Erfolg.

Update 14.25 Uhr: Debatte um Flüchtlinge aus Osteuropa wird schärfer
Die große Koalition schlägt in der Debatte über den Umgang mit Balkan-Flüchtlingen schärfere Töne an. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte in der »Welt am Sonntag«, Balkanflüchtlinge binnen Monatsfrist in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekräftigte die Forderung nach einer Einstufung weiterer Balkan-Staaten als sichere Herkunftsländer. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kündigte eine Wiedereinreisesperre abgelehnter Asylbewerber an.

Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen soll der nächste Asyl-Gipfel von Bund und Ländern offenbar vorgezogen werden und schon am 9. September stattfinden, schrieb die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« unter Berufung auf das Kanzleramt. Ein Regierungssprecher wollte das am Sonntag auf AFP-Anfrage allerdings nicht bestätigen.

Bei dem Gipfel solle es um eine Ausweitung des Kreises sicherer Drittstaaten auf Kosovo, Albanien und Montenegro gehen, schrieb die Zeitung. Die derzeit etwa 94.000 Antragsteller aus dem Balkan machen knapp die Hälfte der derzeit rund 200.000 Flüchtlinge in Deutschland aus.

Kauder zufolge sollten Balkan-Flüchtlinge »die mit großer Wahrscheinlichkeit kein Asylrecht erhalten«, nicht mehr an die Kommunen verteilt, sondern »direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zurückgeführt werden«. Wer etwa aus dem Kosovo komme, solle innerhalb eines Monats zurück, forderte Kauder.

Zehntausende abgelehnte Asylbewerber vom Balkan müssen laut BAMF-Chef Manfred Schmidt nun mit einer Wiedereinreise-Sperre nach Deutschland rechnen. Fast alle der rund 94.000 Antragsteller vom Balkan würden »zusammen mit dem ablehnenden Asylbescheid die Mitteilung über die Wiedereinreise-Sperre und das Aufenthaltsverbot erhalten«, sagte Schmidt der »Welt« vom Samstag. »Wir haben inzwischen Familien vom Balkan, die zum vierten Mal in Deutschland sind und um Schutz bitten«, sagte Schmidt. Nur 0,1 bis 0,2 Prozent der Antragsteller vom Balkan hätten jedoch einen tatsächlichen Schutzgrund.

Die LINKEN-Politikerin Ulla Jelpke warf dem BAMF vor, »mehr und mehr zum Abschreckungsinstrument gegen Flüchtlinge« zu werden. »Wenn der Präsident dieses Bundesamtes immer neue und immer mehr Abschreckungs- und Repressionsmaßnahmen durchsetzt, wird das Grundrecht auf Asyl und die individuelle Prüfung der Fluchtgründe zur Farce«, warnte die Innenpolitikexpertin.

Außenminister Steinmeier verteidigte unterdessen ein SPD-Eckpunktepapier zur Einstufung weiterer Balkan-Staaten als sichere Herkunftstaaten, auf das sich Parteichef Sigmar Gabriel vor wenigen Tagen mit den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten der Länder verständigt hatte. Diese Ausweitung dürfe »kein Tabuthema sein«, erklärte Steinmeier am Samstag als Reaktion auf parteiinterne Kritik.

Die Grünen lehnen die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten dagegen ab. »Einstufungen bestimmter Länder auf dem Papier ändern nichts. Das ist armselige Symbolpolitik«, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der »Bild am Sonntag«. Er verwies er auf die Einstufung Serbiens, Mazedoniens und Bosniens als sichere Herkunftsstaaten vor neun Monaten. Das Bundesinnenministerium habe festgestellt, »dass das nichts an der Zahl der Flüchtlinge von dort geändert hat.«

CDU-Vize Klöckner: Niedrigere Standards für Flüchtlingsheime

Mainz. Die rheinland-pfälzische CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner dringt angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen auf eine schnellere Unterbringung dieser Menschen. Um dieses Ziel zu ereichen, schlägt sie vor, Standards zu lockern. »Wir brauchen eine pragmatische Anpassung von Standards bei der Genehmigung und dem Bau von Flüchtlingsunterkünften in den Kommunen«, sagte die CDU-Landesvorsitzende der Deutschen Presse-Agentur.

»Die Gebäude müssen natürlich sicher und menschenwürdig sein, aber die Frage ist: Muss ein Gebäude unbedingt perfekt sein und allen Normen entsprechen, oder ist es nicht wichtiger, dass Menschen, die um ihr Leben gebangt haben, sicher unterkommen?« Ziel müsse sein, leerstehende Gebäude schneller zu nutzen. »Zelte sind keine Lösung und schon gar nicht im Winter.« In Deutschland werden in diesem Jahr insgesamt mindestens 450 000 Flüchtlinge erwartet.

Das von der SPD vorgeschlagene Tauschgeschäft zwischen einem Einwanderungsgesetz und der Ausweitung »sicherer Herkunftsländer« lehnt die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ab. »Wenn Rot-Grün aus Asylpolitik und Einwanderungsgesetz einen Kuhhandel machen will, geht es ihnen nicht um die betroffenen Menschen. Man kann Asylpolitik nicht mit Einwanderung vermischen«, sagte Klöckner. »Einen Fluchtgrund kann man nicht deckeln oder quotieren, Einwanderung schon.«

Klöckner hält eine Wiedereinreise-Sperre für finanziell geförderte Rückkehrer für notwendig. »Sonst geht der Drehtüreffekt immer weiter«, sagte sie. »Familien ohne Bleibeperspektive reisen ein, bekommen Geld zur freiwilligen Rückkehr und kommen dann im Winter wieder, und das Ganze geht dann wieder von vorne los.«

Die CDU-Landeschefin schlägt eine bessere Koordination mit Hilfe der Landkreise bei der Suche nach freiem Wohnraum vor. »Das Land sollte jedem Landkreis einen Koordinator unterstützend zur Seite stellen, der eine Brückenfunktion hat und zudem auch die Arbeit der ehrenamtlichen Bürgermeister vor Ort unterstützt«, sagte Klöckner.

Auch eine Hotline auf Landesebene für ehrenamtliche Helfer sei sinnvoll. Die CDU-Landtagsfraktion plant für den 8. September eine dritte Flüchtlingskonferenz - diesmal zum Thema Wohnsituation. Klöckner wirft der rot-grünen Landesregierung vor, sie habe die Zeichen der Zeit »viel zu spät erkannt« und fordert mehr Unterstützung der Kommunen.

Die Taschengeldleistungen für Asylsuchende sieht Klöckner skeptisch. »Für viele Menschen aus sicheren Herkunftsländern und für die, die keinerlei Aussicht auf Asylanerkennung in unserem Land haben, sind die Geldleistungen verständlicherweise ein Anreiz, nach Deutschland zu kommen«, sagte sie. »Aber wir müssen erreichen, dass Menschen ohne Bleibeperspektive erst gar nicht aus ihrem Land ausreisen. Deshalb sollten wir darüber nachdenken, Sachleistungen statt Geldleistungen auszugeben.«

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, hatte sich dafür ausgesprochen, dass Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern kein Taschengeld bekommen sollen. Dies ist rechtlich allerdings sehr umstritten. Agenturen/nd

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