»Wenige Dinge sind so brutal«

Prozess gegen Tierschützer, die auf den Färöern das Abstechen von Delfinen verhindern wollen

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Tierschützern wird derzeit auf den Färöer-Inseln der Prozess gemacht, weil sie das traditionelle Abstechen von Delfinen verhindern wollten. Viele Insulaner halten diese Freizeitbeschäftigung für legitim.

Die Sommer sind blutig auf den teilautonom an Dänemark angeschlossenen Färöer-Inseln. Die rund 50 000 dort auf halbem Weg zwischen der nördlichen Spitze Großbritanniens und Island lebenden Nachkommen der Wikinger sind stolz auf ihre Identität. Zu der zählt auch ein über 1000 Jahre altes Ritual: eine Treibjagd zu Wasser, die sich »Grindadràp« nennt. Dabei werden laut Tierschützern jährlich rund 900 zur Art der Delfine zählende Grindwale und 300 Weißseitendelfine geschlachtet.

Derzeit läuft ein Prozess gegen Aktivisten der Tierschutzorganisation Sea Shepherd, die eine Treibjagd Ende Juni störten. Vorsorglich wurden ihnen die Pässe bis zur Urteilsverkündung entzogen. Die Staatsanwaltschaft fordert Geldbußen bis zu 25 000 Dänische Kronen (3350 Euro). Im Gegensatz zu den Einwohnern halten ausländische Tierschützer die Treibjagden für barbarisch.

Sobald Meeressäuger in der Nähe der Küste gesichtet werden, wird die Nachricht in Windeseile verbreitet. Die Färinger, die gerade Zeit und Lust haben, fahren dann mit kleinen Booten raus, um sie in eine flache Bucht zu treiben. Dort warten andere Insulaner im knietiefen Wasser. Spitze Stäbe werden tief ins Blasloch am Rücken der Tiere gerammt, um deren Echo-Ortungssystem außer Kraft zu setzen. Tierschützer halten das nicht einmal für das Schlimmste. Mit Messern schneiden die Treibjäger den orientierungslos zappelnden Tieren dann die Kopfschlagader durch. Weil die Sauerstoff atmenden Meeressäuger selbst unter Wasser bis zu 20 Minuten ohne Sauerstoff auskommen können, verbluten sie mit vollem Bewusstsein. Dabei spüren sie alle folgenden eigentlich unnötigen Messerstiche, die besonders aufgehetzte, manchmal auch angetrunkene Jäger nach Lust und Laune austeilen.

Viele Kinder wohnen dem Spektakel bei und lernen, dass das alles ganz normal ist. »Es ist völlig legitim, Tiere zu töten, um sie zu essen. Die Grindwale sind nicht vom Aussterben bedroht, und die Jagd ist nachhaltig. Die Tiere werden so schnell wie möglich getötet. Insgesamt geht es ihnen dabei tausendmal besser als Kühen, Schweinen und Geflügel«, sagte der konservative Parlamentarier Rasmus Jarlov im dänischen Rundfunk DR.

2014 war die amerikanische Schaspielerin Pamela Anderson auf die Färöer gereist. »Das ist barbarischer und psychotischer Wahnsinn. Die machen das nicht, um zu überleben«, betonte sie. »Es gibt wenige Dinge, die so brutal sind. Es ist nur zur Unterhaltung da, und das ist furchtbar. Ich hoffe, die Leute hier werden eines Tages sagen: ›haben wir so etwas früher wirklich einmal getan?‹«, sagte Anderson der Zeitung »Ekstra Bladet«.

Die Treibjagd ist allerdings nicht kommerziell. Das Fleisch wird nach der Tradition mit der Familie, Freunden und Nachbarn geteilt. Das Teilen der Beute gilt als wichtiges Ritual, auch für den sozialen Zusammenhalt, heißt es vom Kulturverband der Insel.

Aber es gibt einheimischen Protest. Das jährliche sommerliche Blutbad sei nicht gut für den Tourismus, wird befürchtet. Das zähe Fleisch der Meeressäuger ist zudem nicht besonders schmackhaft. Der Quecksilbergehalt ist so hoch, dass Schwangeren und Kindern vom Verzehr abgeraten wird. Bei Föten könne es zu Missbildungen des Nervensystems führen, und bei Kindern könne das Quecksilber irreparable Sprach- und Konzentrationsstörungen auslösen.

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