Von Himmelbeet bis Rosenduft

Immer mehr Berliner betreiben Gemeinschaftsgärten. Dabei geht es nicht nur ums Pflanzen

  • Katharina Weygold
  • Lesedauer: 3 Min.
In rund 100 Gemeinschaftsgärten inmitten der Stadt pflanzen Berliner Obst, Gemüse und Blumen an. Die Gärten liegen im Trend, sind Orte der Begegnung, des einander Kennen- und Verstehenlernens.

Sonnenblumen, Tomatenpflanzen und Kürbisse gedeihen in teils bunt bemalten, teils morschen Holzbeeten. Die Pflanzflächen liegen wild verstreut im Garten Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld in Neukölln, manche eng beieinander. Rund 750 Berliner gärtnern hier seit 2011 gemeinsam. Mehr als 100 solcher Gemeinschaftsgärten gibt es in Berlin. Jeder pflegt hier sein Beet selbst. Um die Anlage kümmert man sich gemeinsam. Die Gärtner treffen sich einmal im Monat zum Organisieren und Picknicken oder Filmgucken. Auch Besucher sind in dem frei zugänglichen Garten willkommen: Touristen ruhen zwischen Erdbeerpflanzen und Geranien ihre müden Füße aus. Studenten spielen Gitarre und singen.

Rund 125 Gemeinschaftsgärten gebe es in Berlin, schätzte die Mitgründerin der Initiative Allmende-Kontor, Gerda Münnich. Sie hat den Überblick über die meisten dieser Gartenprojekte. Das Allmende-Kontor ist Anlaufstelle für Gartenfreunde in der Hauptstadt, verleiht Geräte und gibt Tipps für Neugründungen. Die Gärtner seien keineswegs nur Hipster. »Im Allmende-Kontor finden Sie alles«, sagte Münnich: Familien, Studenten und Senioren pflanzten hier. Ein Beet koste 45 Euro im Jahr.

»Den Garten in die Stadt holen und das tun, was die Großeltern gemacht haben, aber in der modernen Umgebung - das macht die Gemeinschaftsgärten so anziehend«, sagte Eike Wenzel vom Trendinstitut ITZ. Der Konsum- und Freizeittrend »Gardening« sei seit zehn Jahren zu beobachten. Vor allem junge Familien verspürten eine »starke Sehnsucht«, wieder selbst Obst und Gemüse anzubauen und einen Garten mit anderen zu teilen. Gemeinschaftsgärten seien eine Bewegung gegen den Konsum, die Globalisierung und Industrialisierung, sagte Wenzel.

Der wohl prominenteste Berliner Gemeinschaftsgarten ist der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg. Hunderte Freiwillige verwandelten hier 2009 eine vermüllte, brachliegende Fläche in eine grüne Oase direkt an einer viel befahrenen Straße. Heute werden im Prinzessinnengarten mehr als 500 Kräuter- und Gemüsesorten angebaut. Viele Gemeinschaftsgärten entstanden auf Brachen in der Stadt.

In den Gemeinschaftsgärten geht es nicht nur ums Pflanzen: Gartenbegeisterte bewirtschaften Generationengärten wie den Berolina-Garten in Mitte. Menschen unterschiedlicher Herkunft bepflanzen interkulturelle Gärten wie das Himmelbeet im Wedding oder den Garten Rosenduft auf dem Gleisdreieck in Kreuzberg.

Der Garten Rosenduft entstand aus einem Projekt für traumatisierte Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien. »Der Umgang mit Erde und Wachstum ist etwas Wohltuendes, auch für Menschen, die traumatisiert sind«, sagte eine Sprecherin der Integrationsbeauftragten des Senats. In interkulturellen Gärten könnten Menschen mit ausländischen Wurzeln und Deutsche zusammen ihre Freizeit verbringen, unabhängig davon, wie gut sie Deutsch sprechen.

Auch beim Wohnungsbau wird an Flächen für Gemeinschaftsgärten gedacht. In Lichtenberg etwa ist neben elfgeschossigen Mietshäusern der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE ein interkultureller Garten entstanden. Sowohl Mieter als auch Bewohner anderer Häuser nutzten ihn, sagte eine Sprecherin. Mehrere Wohnungsbaugesellschaften planen bei neuen Vorhaben solche Grünflächen ein. Die meisten Gemeinschaftsgärten gedeihen auf privaten Grundstücken, wie die Senatsumweltverwaltung mitteilte. Die Gärten auf dem Tempelhofer Feld und dem Gleisdreieck jedoch gehörten zu Flächen der Verwaltung. dpa

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