Ja zur Solidarität - aber bitte nur für den Innengebrauch

Polens Repräsentanten begründen ihr Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen mit merkwürdigen nationalistischen Parolen

  • Julian Bartosz, Wrocław
  • Lesedauer: 3 Min.
Das osteuropäische EU-Land ist für Flüchtlinge hauptsächlich Zwischenstation. Willkommen sind sie für die Regierenden nicht.

Aus Anlass der Solidarnosc-Gründung vor 35 Jahren feierte die Gewerkschaft am 29. August in Gdansk sich selbst als Vorreiter im Kampf um Freiheit und Menschenrechte in Osteuropa und damit auf dem ganzen Erdteil. Bürgerliche Medien konnten nicht oft genug die Verdienste und die Rolle von »Solidarnosć« dabei unterstreichen. Solidarität - so scheint es - gilt hier aber, wenn nicht ausschließlich, dann doch vorwiegend für den Innengebrauch. Und das nur als Parole.

Das Schicksal der auf Europa zusteuernden Menschen, die aus Afrika und dem Nahen Osten flüchten, um Kriegen zu entkommen und ihr Leben zu retten, lässt Polens Politiker selbstverständlich nicht ganz kalt. Dafür gibt es drei Gründe. Alle TV-Kanäle zeigten die Flüchtlingsrouten über Serbien und Ungarn, auch die Slowakei und die Ukraine. Auch Polen könnte ein Ziel sein, zwar lediglich als Zwischenstation in Richtung Westen, aber selbst darin werden Probleme gesehen. Zum zweiten wird geltend gemacht, Polen sei in der Pflicht, die Nachkommen der während des Zweiten Weltkrieges nach Kasachstan und Sibirien verschleppten Landsleute heimzuholen. Drittens schließlich habe man den Krieg in der Ukraine vor der Tür, weshalb man Menschen aus dem Donbass retten müsse.

So begründete der neue Staatspräsident Andrzej Duda sein unsolidarisches Verhalten, als er sich vorige Woche beim Besuch in Berlin kritische Bemerkungen zu Polens mangelnder Aufnahmebereitschaft anhören musste. Dudas These »zuerst Emigration, dann Immigration« fand weder bei Angela Merkel noch bei der Presse viel Verständnis.

Die Parole »Heim ins Vaterland« wurde von rechten Politikern sogar noch eingeschränkt: Jarosław Gowin aus Kraków fand, dies dürfe nur für Menschen römisch-katholischen Glaubens gelten. Noch vor zwei Jahren war der Mann Justizminister in der Regierung der Bürgerplattform. Jetzt ist er Sejm-Kandidat der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Die Migrationsfrage sei ein wichtiger Test für die katholische Kirche, schrieb Konrad Sawicki von der »Gazeta Wyborcza«. Zu den Worten von Franziskus, Migranten doch in den Schoß der europäischen Zivilisation aufzunehmen, schweige sie. Jakub Noch, Vertreter einer Nichtregierungsorganisation, erinnerte: »In schweren Zeiten konnte Polen auf die Gastfreundschaft und Hilfe in vielen Ländern rechnen, heute lassen sie es an Dankbarkeit fehlen.«

Schärfer drückte sich Robert Biedron aus. Er wies darauf hin, dass im Wahlkampf praktisch alle Politiker das Thema fürchten und deswegen meiden. Der voriges Jahr zum Stadtpräsidenten von Słupsk gewählte bekennende Homosexueller sagt, wer Hass gegenüber Fremden und Andersdenkenden schüre, verhalte sich nicht nur unanständig, sondern ekelhaft, wenn er Menschen auf der Flucht nach religiösen, kulturellen und rassistischen Kriterien selektieren wolle. Biedron packe die Wut, wenn er sehe, dass Duda und die Anwärterin auf den Premiersposten, Beata Szydło von der nationalkonservativen PiS, nach den Wahlen am 25. Oktober nichts unternähmen, um Hass entgegenzutreten.

Die amtierende Regierungschefin Ewa Kopacz, die bei der ersten von der EU-Kommission vorgeschlagenen Umverteilung von Flüchtlingen zwar das 2200-»Kontingent« für Polen akzeptierte - »aber nur freiwillig, nicht unter Zwang« - änderte zu Wochenbeginn ihren Standpunkt. Da es immer mehr Migranten gebe, müsse man das Thema neu und anders angehen, nicht nur bei den Quoten. Entscheidungen müssten verantwortlich, nach den realen Möglichkeiten jedes Landes ebenso wie nach Einwanderungsmotiven - Flucht vor Krieg oder »Verbesserung des Lebensstandards« - getroffen werden. Europa brauche langfristige Programme und habe sie solidarisch zu verwirklichen. Ob Kopacz davon auch die anderen Visegrad-Staaten Tschechien, Ungarn und die Slowakei beim Treffen am Freitag überzeugen kann, ist allerdings mehr als fraglich.

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