Willkommenskultur in der Bundesliga - powered by Bild

Wer das »Bild«-Logo nicht trägt, hat »kein Herz für Flüchtlinge«? Eine wohlfeile Solidaritätsaktion sorgt für Wirbel im deutschen Fußball

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach »Wir sind Papst« jetzt das »Flüchtlingssommermärchen« - »Bild« promotet ihre neuentdeckte Zuneigung für Flüchtlinge jetzt auch im Profifussball. Der FC St. Pauli macht nicht mit - mit Recht.

Da ringt sich der deutsche Profifußball durch, ein Zeichen für die Solidarität mit Flüchtlingen zu setzen und ausgerechnet der FC St. Pauli möchte sich nicht daran beteiligen – Schockschwerenot und einen Skandal wittert dort die »Bild«, die sich in den letzten Wochen als Verkünder des »Was kosten uns die Flüchtlinge und wie viele kommen da noch?« zum Willkommensblättchen für Flüchtlinge gewandelt hat. Aber was ist das eigentlich für eine Solidaritätskampagne? Zunächst nicht mehr als eine symbolische – und eine fragwürdige noch dazu, wie auch Andreas Bock vom Fußballmagazin »11 Freunde« feststellt. Am kommenden Wochenende verzichtet der Ligasponsor »Hermes«, ein Paketdienstleister, auf den Aufdruck seiner Logos auf den Trikotärmeln in der ersten und zweiten Liga. An dessen Stelle wird das Logo der »Bild«-Aktion ‘Wir helfen – #refugeeswelcome’ auf den Ärmeln abgedruckt – so sollen die 36 Profivereine »für eine aktive Willkommenskultur in Deutschland« werben, wie es der Ligaverband DFL vermeldet.

»Schade, dass das nicht alle so sehen ...« schreibt »Bild« und meint damit den FC St. Pauli, der sich laut Aussage der Zeitung nicht daran beteiligen wolle und sich »beim Thema Flüchtlingshilfe auf die eigenen Aktionen konzentrieren« wolle. Und das, wo doch alle diese Aktion so großartig finden! »Das Flüchtlings-Drama geht jeden an, keiner darf wegsehen. Wir Fußball-Bundesligisten können, nein, wir müssen unsere Strahlkraft, unseren Einfluss und unsere Möglichkeiten nutzen, um den vielen Flüchtlingen, die schon so unglaublich gelitten haben, zu helfen«, sagte Hertha-Manager Michael Preetz laut dpa. »Wir wollen damit auch deutlich machen, dass alle helfen sollen, wo und wie sie nur können«, sagte Leverkusens Sportchef Rudi Völler – gegenüber der »Bild«-Zeitung.

Nun ist mit dem Wechsel des Sponsorenlogos auf dem Ärmel der Problematik vielleicht nicht ganz genüge getan – zumal die Schriftzüge von »Hermes« und »Bild« auch auf dem »Wir-helfen!«-Logo nicht zu übersehen sind. Aber es fühlt sich doch so gut an! Für Bild-Chefredakteur Kai Dieckmann ist jedenfalls klar: Wer nicht für die Aktion ist, »hat kein Herz für Flüchtlinge« twittert er.

Und in einem früheren Tweet meint er süffisant, dass sich ausgerechnet die AfD über das Verhalten des FC St. Pauli freuen würde.

Der Geschätsführer des FC St. Pauli reagierte gelassen: »Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. Das private Engagement unserer Spieler sowie verschiedenste Aktionen unserer Fans und Abteilungen für die Flüchtlinge in Hamburg sind Beleg dafür. Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Klubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen«, teilte Geschäftsführer Andreas Rettig am Mittwoch gegenüber dem »Kicker« mit – schließlich haben Verein und die aktive Fanszene seit Jahren mit konkreten Aktionen Flüchtlingen geholfen und handfeste Integrationsarbeit geleistet.

Zuletzt lud der Verein zusammen mit Borussia Dortmund 1000 geflüchtete Menschen ein, die in unterschiedlichen Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen untergekommen sind. Das Engagement des Klubs und der Fans ist bis zur »New York Times« durchgedrungen. »Refugees welcome«-Transparente waren im Millerntor-Stadion schon Alltag, als die »Bild«-Zeitung noch mit Schlagzeilen wie »Sanitäter tragen Schutzwesten aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel« (8. September 2014) oder : »Rentner raus, Flüchtlinge rein« (15.02.2014) aufmachte. Wer bei dieser »Wir helfen«-Aktion des Springerblattes nicht mitmacht, muss beileibe kein Herz für Flüchtlinge haben – sondern ist vielleicht längst über wohlfeiles »Promotion-Mitfühlen« hinaus. Im Netz schlug der »Bild«-Aktion unter #BILDnotwelcome jedenfalls ein starkes Echo entgegen:

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