Metallener Auswurf
Markus Drescher über Zäune, Stacheldraht und eine Mörderin
»Die Mauer in den Köpfen überwinden« war vor 25 Jahren die Maxime, nachdem in Europa die Grenzen gefallen waren. Heute stehen Mauern nicht nur in den Köpfen der meisten EU-Staatschefs, sie bauen sie auch auf: Zu Stacheldraht geronnene Idiotie, metallener Auswurf rassistischer, nationalistischer und eigennütziger Kurzsichtigkeit, der grenzkontrollierte Beweis von Unfähigkeit, Widerwillen und Ablehnung.
Das ist die Europäische »Union« im Jubeljahr. Offenbar einzig darin vereint, ihre Delegitimierung schnellstmöglich voranzutreiben. Reden von irgendwelchen europäischen Werten treiben einem ohnehin nur noch Tränen verzweifelt-zynischen Lachens in die Augen. So wie die Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen, die etwa durch die Kriege im nahen und mittleren Osten erwachsen, eine intellektuelle Beleidigung sind.
Die Fakten sind: Geflüchtete werden solange kommen, bis sie in ihrer Heimat nicht mehr existenziell bedroht sind. Menschen auf der Suche nach Sicherheit lassen sich nicht von Zäunen, dem Mittelmeer oder Grenzern aufhalten - für sie geht es um Flucht und Leben oder Verzweiflung und Tod. Das ist die Prämisse. All das Geld für die Abschottung, investiert in Aufnahme und Integration, bedeutete keine Schleuser (und deren teure wie heuchlerische Bekämpfung), keine zwischen Ländern umherirrenden Menschen, keine von Europa getöteten Flüchtlinge. So aber ist die EU im Jahr 2015 auch: Mörderin mit Friedensnobelpreis.
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