Die Suche im Krimieinerlei

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Netz dreht durch, es spinnt, völlig entfesselt, nichts mehr zu machen, nirgends Ordnung in Sicht, gar Trost. Anstand, Ethos, Logik, Verstand? Gen Null! Wann immer Trolle und ihre »Flaming« genannten Hasskommentare auftauchen, ach, im Grunde schon, wenn Meinungen ins Spiel kommen, geraten alle Regeln außer Kraft. Da kann Justizminister Maas noch so viele »Taskforces« einrichten, um Vereinbarungen mit Facebook zu treffen: Hass ist die neue Übersetzung für Internet.

Während nämlich Flüchtlinge landauf, landab mit einem Lächeln im Gesicht begrüßt werden, zeigt der rassistische Mob im rechtsfreien Raum der virtuellen Anonymität seine hässliche Fratze. Vermeintlich rechtsreduziert, vermeintlich anonym: Weil soziale Netzwerke viel gegen Brustwarzen und wenig gegen Nazis haben, wird der SWR selbst aktiv und geht gegen einen Kommentator auf der Facebook-Seite des »Weltspiegel« vor, der die Menschen an Ungarns Grenze »dreckiges Viehzeug« nennt, den »Eselfickern« den Tod wünscht und sich ein scharfes Messer. Die Anzeige wegen Volksverhetzung könnte Erfolg haben.

Juristische Folgen könnte auch der ARD-Mittwochsfilm haben. Mit großer Faktenliebe, akribischer Recherche und viel Gespür fürs Unterhaltungspotenzial soziokultureller Relevanz, entlarvt Daniel Harrichs realgetreue Fiktion »Meister des Todes« (gefolgt von einer präzisen Doku) mit Heiner Lauterbach und Axel Milberg als skrupellose Waffenhändler, wie die Industrie mit staatlicher Hilfe am weltweiten Tod Unschuldiger verdient. Ein Fall übrigens, der erst vorige Woche von der Wirklichkeit eingeholt wurde, als illegale Waffengeschäfte von Heckler & Koch (im Film »HSW« genannt) mit Mexiko durch die Presse gingen. Schöne Exportnation Deutschland.

Importiert werden muss hingegen gutes Serienfernsehen. Und falls mal was Deutsches mit Anspruch entsteht, läuft es wie »Lerchenberg« zur Geisterstunde, die das ZDF Dienstag für die letzen vier Folgen reserviert. Am späten Stammplatz ändert auch die Topsendezeit des Fünfteilers »Blochin« mit Jürgen Vogel als janusköpfiger Bulle wenig. Der hochkarätig besetzte, horizontal erzählte, heiß ersehnte Thriller ragt (schon dank Thomas Heinze, der den Vorgesetzten spielt) weit aus dem hiesigen Krimieinerlei hervor. Doch weder Buch noch Bildsprache geschweige denn Vogel erreichen an den drei Abenden ab Freitag das Niveau internationaler Vorbilder.

So steht die Woche dann doch eher im Zeichen der Rückkehr: von »Big Brother« etwa, das seinen Container Dienstag um 20.15 Uhr beim »Frauenkanal« Sixx aufstellt, oder der »Anstalt« (ZDF), die zwei Stunden später aus der Sommerpause kommt.

Und dann gäbe es da noch das Comeback einer Serie, die Trash-TV-Geschichte geschrieben hat: »Hinter Gittern«, mit der legendären Walter und ihren Mithäftlingen im »Frauenknast« (ab Samstag, 21.45 Uhr, SuperRTL), aus dem Jahr 1997, einer Zeit, als selbst das Privatfernsehen noch die Kraft zu bedeutsamer Innovation besaß.

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