Planschen bis der Pleitegeier klopft

In Thüringen wurden seit den 1990er Jahren viele Erlebnisbäder gebaut - doch etliche von ihnen laufen schlecht

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 6 Min.
Die Thüringer Spaßbäder-Landschaft hat nicht den besten Ruf. Weil mindestens eine der Anlagen scheinbar immer kurz vor der Pleite oder der Schließung steht. Geht es nicht auch anders?

Was ist eigentlich ein Spaßbad? Versucht man sich diese Frage vom Sinn des Wortes her zu erschließen, kann jede Badewanne, jeder aufblasbare Pool, jedes Waldbad ein Spaßbad sein - wenn es dem Badenden Freude macht. Eigentlich eine schöne Sache, so ein Spaßbad.

Trotzdem ist »Spaßbad« in den vergangenen Jahren zu einem Terminus geworden, den Betreiber von Thermen oder Erlebnis- und Kurbädern für ihre Anlage nicht verwenden möchten. Thomas Heilmann sagt das für die Anlage, für die er als Insolvenzverwalter derzeit die Verantwortung hat, völlig offen. Das ist das Bad Tabbs in Tabarz im Landkreis Gotha. Er sei fast schon beleidigt, wenn man das ein »Spaßbad« nenne, was im Internet mit den Stichworten »Erlebnisbad«, »Familienbad«, »Gesundheit« und »Wellness« vermarktet wird. Dass die Bezeichnung »Spaßbad« in Thüringen so verbrannt ist, hat viel mit der Vergangenheit der Bäder-Landschaft zu tun. Und mit der Gegenwart.

Mit der Gegenwart, weil kürzlich bekannt wurde, dass das Badehaus in Masserberg vor der Schließung steht. Ab Jahresende, so hieß es vom Bürgermeister der Gemeinde im Landkreis Hildburghausen, Dennis Wagner, solle dort erst einmal eine grundlegende Sanierung erfolgen. Zugleich räumte Wagner ein, die Wiedereröffnung des Badehauses sei noch nicht gesichert. Fördermittel vom Land für die Sanierung zu bekommen, scheint dabei grundsätzlich ein Leichtes zu sein im Vergleich zu der Vorbedingung, die laut Wagner erfüllt sein muss, damit das Badehaus ab 2017 wieder öffnen kann: Es muss ein Konzept erarbeitet werden, in dem steht, wer die Verluste tragen soll, die Wagner und andere auch nach der Sanierung erwarten. Und das sind keine kleinen Beträge. Wagner sagt, Ziel sei es, das jährliche Betriebsdefizit des Badehauses unter die Marke von 300 000 Euro zu senken. Eine schwarze Null jedoch werde mit diesem Bad niemals erreicht werden können.

Begebenheiten wie in Masserberg wecken bei vielen Thüringern böse Erinnerungen an die späten 1990er und frühen 2000er Jahre. Da nämlich schossen im Freistaat Thermen, Erlebnis-, Freizeit- und Kurbäder wie Pilze aus dem Boden. Mancherorts geschah das, weil kommunale Entscheidungsträger und Investoren dachten, sie könnten, an eine lange Badetradition anknüpfen. Andernorts, weil sie dachten, sie könnten sich mit diesen Anlagen ewig sprudelnde Geldquellen vor die Tür setzen. Der Freistaat unterstützte sie mit vielen Millionen Euro an Fördergeldern. Kenner der Materie sagen, das habe viel damit zu tun gehabt, dass das Land damals über Fördermittel verfügt habe, die von der Industrie oder der industrie-ähnlichen Wirtschaft nicht abgerufen worden seien. Und weil auch der Tourismus für Thüringen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war und ist: Warum das Geld nicht in die Bäder stecken?

Nach aktuellen Daten aus dem Thüringer Wirtschaftsministerium hat das Land seit 1990 in Thüringer Erlebnis-, Freizeit-, Kurbäder etwa 198 Millionen Euro Fördermittel gesteckt. Damit, heißt es, seien Investitionen in einem Gesamtvolumen von etwa 299 Millionen Euro ausgelöst worden. Bedeutet, grob gerechnet: Von drei Euro, die im Freistaat in solche Anlage gesteckt worden sind, stammen zwei Euro aus Steuermitteln. Besonders krass ist das Verhältnis beim Erlebnisbad in Oberhof, das einmal Rennsteigtherme hieß und nun H2Oberhof genannt wird. Zahlen des Wirtschaftsministeriums zufolge wurden dort bislang Gesamtinvestitionen in Höhe von fast 28 Millionen Euro mit Landes-Zuwendungen in Höhe von fast 23 Millionen bedacht.

Das Ergebnis des Bäderbooms: Laut einer Liste der Wirtschaftsministerium gibt es in Thüringen heute acht Erlebnisbäder, sieben Kurbäder und zwei Freizeitbäder - wobei dort nur Anlagen aufgeführt werden, die schon mal Fördergeld des Landes erhalten haben. All die kleinen Schwimmbäder im Land sind in dieser Liste freilich ohnehin nicht enthalten.

Vielleicht sind das zu viele Bäder für Thüringen, ziemlich sicher jedenfalls schreiben zu viele von ihnen rote Zahlen. Genau weiß man Letzteres allerdings immer erst, wenn mal wieder eines der Spaßbäder in die Insolvenz rutscht. Denn viele der Betreiber der Bäder geben Geschäftszahlen nicht heraus, lassen Presseanfragen dazu unbeantwortet und haben auch den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums verboten, über ihre Betriebsergebnisse zu sprechen.

Andererseits: Solche Anlagen sind durchaus wichtig für Thüringen und es gibt durchaus Chancen, sie wenigstens annähernd kostendeckend zu betreiben. Insolvenzverwalter Heilmann ist einer der wenigen Badverantwortlichen in Thüringen, die wenigstens teilweise Auskunft geben. Das Bad Tabbs in Tabarz, für das er zuständig ist, war 2013 zum zweiten Mal in die Insolvenz gerutscht. Heilmann sagt, dass er im Laufe des Insolvenzverfahrens so viele teils triviale Probleme beseitigt habe, dass das Bad inzwischen fast eine schwarze Null erreiche; was auch er als Beispiel dafür versteht, dass solche Anlagen nicht dazu verdammt sind, jedes Jahr hohe Verluste zu produzieren. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums teilt diese Einschätzung.

Auch Heilmann kritisiert, dass in der Vergangenheit überall im Freistaat im Kern sehr ähnliche Bäder gefördert wurden. Doch die Konkurrenz untereinander sei nicht der einzige Faktor ist, der den Bädern das Überleben schwer macht. So sei das Tabbs ja in die zweite Pleite geschliddert, als das Bad in Oberhof wegen Umbauarbeiten geschlossen gewesen sei. Zwar sei ein technisches Problem mit der Heizanlage des Tabbs mitverantwortlich für die Insolvenz gewesen, doch hätten die Ex-Verantwortlichen des Bades auch »nicht kostenbewusst gearbeitet« - meint: Sie verschwendeten Geld. Etwa 250 000 Euro Verlust jährlich hat das Tabbs laut Heilmann vor der Pleite gemacht.

Auch der Sprecher des Wirtschaftsministeriums verweist darauf, dass es zu einfach ist, allein die seit den 1990er Jahren deutlich gestiegenen Energiekosten für die Probleme der Bäder verantwortlich zu machen - so wie das immer wieder getan wird. So hätten vielerorts auch Managementfehler, unflexible Eintrittspreissysteme und schlechtes Marketing zu Problemen und schließlich zu sinkenden Besucherzahlen geführt.

Im Tabbs dreht Heilmann nach eigenen Angaben unter anderem inzwischen jeden Euro drei Mal um, holt vor Auftragsvergaben mehrere Angebote ein und hat Personal eingestellt, das mehrere Funktionen im Bad übernehmen kann - ziemlich simple Dinge eigentlich, die das Bad inzwischen in die Nähe der Wirtschaftlichkeit bringen. Wie der Sprecher des Wirtschaftsministeriums wirbt auch Heilmann dafür, die Bäder nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil des vor allem touristischen Angebotes ganzer Regionen. Wodurch sich Möglichkeiten zur Querfinanzierung ergeben.

Für Wirtschaftsförderer ist diese Einbettung der Bäder in große touristische Konzepte ohnehin das zentrale Argument, an den Thüringer Spaßbädern auch in Zukunft festzuhalten - egal, ob sie privat oder mehr oder weniger öffentlich betrieben werden.

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