Planlos in Pegidistan

Sind die Rassisten-Demos ein Fall für Verbote, den Verfassungsschutz oder Dialogangebote? Diskutiert wird viel, getan wenig

Nach dem Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Akif Pirinçcis KZ-Rede beim Pegida-Jubiläum am Montag ist zumindest die große Politik halbwegs aufgewacht.

Die Linkspartei fordert Aufklärung. Wieder einmal muss sie nach der Rolle des Verfassungsschutzes fragen. Wieder einmal im Zusammenhang mit einer rechtsterroristischen Tat - dem Attentat auf Henriette Reker, Kölns neue Oberbürgermeisterin, die nach der Messerattacke vom vergangenen Samstag derzeit noch im Krankenhaus liegt.

Die LINKE in Nordrhein-Westfalen möchte vom Innenminister des Landes Ralf Jäger (SPD) wissen, ob der Verfassungsschutz Kontakt zum Täter Frank S. hatte. Diesen Verdacht schürt ein Artikel des »Kölner Stadt-Anzeiger«. Darin wird berichtet S. habe »obwohl er nie bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen haben soll und auch nie vermittelt worden sein soll«, jahrelang Hartz IV bezogen. S. Akte sei zudem gesperrt, als geheim eingestuft und nur für ausgesuchte Personen zugänglich gewesen. »Warum ist das so? Hat das mit der rechtsextremen Vergangenheit des Attentäters zu tun? Sollte hier etwas verschleiert werden?«, fragt die Zeitung.

Die Grünen im Bundestag wollen das auch gerne erfahren und fragen die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage neben Erkenntnissen über »extremistische Verbindungen und vergangene Straftaten« von S., ob und welche »Verbindungen es aktuell oder in der Vergangenheit zwischen den Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder« mit ihm gab.

Dass es darauf in absehbarer Zeit zufriedenstellende Antworten von den Verantwortlichen geben wird, die sich nach dem Attentat weitestgehend ahnungslos geben, scheint nach den Erfahrungen der »Aufklärung« des geheimdienstlich begleiteten NSU-Terrors unwahrscheinlich. »Dass der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über einen mehrfach vorbestraften Nazi mit derart eindeutiger Vorgeschichte haben will, ist nicht glaubhaft. Wenn hier nicht gelogen wird, ist der Verfassungsschutz noch unfähiger und überflüssiger, als ich dachte,« bescheinigt Ralf Michalowsky, Sprecher der LINKEN in NRW, dem Inlandsgeheimdienst.

Trotz des notorischen Versagens, Vertuschens und Finanzierens der rechten Szene über das V-Leute-Unwesen soll sich nun der Verfassungsschutz (noch dazu der sächsische) mit der Pegida-Bewegung beschäftigen. So fordert der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner in der »Welt«: »Verfassungsfeindliche Bestrebungen müssen vom Verfassungsschutz beobachtet werden.« Und: »Zu prüfen wäre beispielsweise, ob die Organisatoren von Pegida verfassungsfeindlich agieren.«

Dazu ist das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz derzeit der Meinung: Nein. Einen generellen Einfluss von Rechtsextremisten auf Pegida in Sachsen gebe es aktuell nicht, erklärte Behördenchef Gordian Meyer-Plath dem »Tagesspiegel«. »Allerdings gab es in der Vergangenheit Fälle von ›Gida‹-Ablegern, die unter rechtsextremistischen Einfluss geraten sind, so wenn beispielsweise die Organisatoren es zuließen, dass die rechtsextremistische Band ›A3stus‹ auftreten konnte.« Von der Demonstration am Montag ist er der Meinung, dass »die überwiegende Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer nach wie vor nicht dem extremistischen Spektrum zuzuordnen ist«.

Völlig anders sieht das Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der sächsischen Linksfraktion: »Für mich geht von Pegida sehr klar eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung aus. Und das keineswegs erst seit diesem Monat.« Schon in der Vergangenheit habe es massive Angriffe auf die Pressefreiheit, die Zulassung von Gewalt, aber auch verleumderische, menschenverachtende Äußerungen gegeben. »Ich möchte, dass die Behörden klipp und klar sagen, dass es sich um eine Struktur im rechten Spektrum handelt«, so Köditz. Eine Beobachtung mit geheimdienstlichen Mitteln sei für die Einschätzung derweil gar nicht nötig. »Für eine Einschätzung der Pegida brauche ich keine Wanzen oder V-Männer aus der Szene, deren Aussagefähigkeit ohnehin zu bezweifeln wäre. Es reicht, montags dort hinzugehen und sich anzuschauen, wer spricht da was und welche Transparente werden hochgehalten. Die Äußerungen der Pegida-Führung kann man außerdem bei Facebook nachlesen.«

Während es aus der sächsischen CDU nach wie vor Rufe nach einem Dialog mit den Pegida-Anhängern gibt, fordern nach einem Jahr des tatenlosen Zusehens Politiker aus SPD und Union ein härteres und schnelleres Durchgreifen der Strafverfolgungsbehörden. Aydan Özoguz (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, spricht sich für eine Sonderkommissionen der Polizei aus. Bei Straftaten oder volksverhetzenden Äußerungen sei der Rechtsstaat gefragt, sagte Özoguz am Mittwoch im Inforadio des RBB. Unbedingt notwendig sei eine schnellere Aufklärung, »dass man einfach das Gefühl bekommt«, dass der Staat reagiere und der Rechtsstaat sich wehrt. »Polizei und Staatsanwaltschaft müssen vor Ort ermitteln und können während der laufenden Demo einschreiten«, erklärte der Unions-Rechtsexperte Hans-Peter Uhl (CSU) in der »Rheinischen Post«. Auch ein Verbot von Pegida-Demonstrationen wird ins Spiel gebracht. In dieser Frage müsse der Staat dranbleiben und genau prüfen, ob ein Verbot von Pediga vor Gericht durchsetzbar sei, fordert etwa der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Ansgar Heveling (CDU), gegenüber den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hingegen sieht es zunächst als Aufgabe der Politik und der Sicherheitsbehörden, »diese Rattenfänger zu enttarnen«.

Ob und wann in Dresden und anderen »Gida«-Städten von staatlicher Seite mehr getan wird, als die Proteste gegen die Rassisten zu kriminalisieren und zu schikanieren, wird sich zeigen. Zeit genug für Beobachtungen ist vorhanden, der Pegida-Spuk nämlich noch lange nicht vorbei. Mit Agenturen

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