Mehr als ein Interessenkonflikt
Simon Poelchau über Treffen von EZB-Vertretern mit der Finanzwelt
Als die Entscheidung fiel, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Aufsicht über die größten Banken der Währungsunion erhalten sollte, läuteten bei einigen Experten die Alarmglocken: Die EZB könne in einen Interessenskonflikt zwischen ihrer Geldpolitik und ihrer neuen Funktion geraten.
Genau ein Jahr, nachdem die EZB-Bankenaufsicht gestartet ist, sind die Veröffentlichungen der »Financial Times« Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Denn sie zeigen, dass oberste Zentralbanker wie EZB-Chef Mario Draghi und Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré sich regelmäßig mit Vertretern der Finanzwelt treffen. Dass die EZB im Ernstfall gegen das Interesse der Finanzwelt entscheidet, ist so äußerst fraglich. Zwar werden ihre Verteidiger nun vermutlich einwenden, dass solche Kungeleien wichtig seien, damit die Zentralbank wisse, wie die Finanzwelt tickt. Doch wie Treffen von Politikern mit der Wirtschaft sind solche Meetings de facto nichts anderes als Lobbytreffen.
Cœurés Meetings sind heikel, da er sich auch kurz vor wichtigen Entscheidungen mit Anlegern traf. In mindestens einem Fall wurden den anwesenden Investoren wichtige Informationen für einige Stunden exklusiv gegeben. Dies könnte die EZB in eine Bredouille bringen, weil dies mehr als nur ein Interessenskonflikt ist. So manch ein Anleger, der die heißen Infos erst später erfuhr, könnte jetzt von einer illegalen Wettbewerbsverzerrung sprechen.
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