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Unverzichtbare Zuversicht

Vor 100 Jahren wurde der sowjetische Schriftsteller Konstantin Simonow geboren

  • Karlheinz Kasper
  • Lesedauer: 4 Min.

Er war Romancier, Erzähler, Lyriker, Dramatiker, Publizist, und sein Hauptthema war der Große Vaterländische Krieg gegen den Hitlerfaschismus. Dabei war Konstantin Simonow, der am 28. November 1915 geboren wurde, das Soldatenleben schon früh vertraut. Während seine Mutter aus einer adligen Familie stammte, waren sein leiblicher Vater, der im Ersten Weltkrieg fiel, und sein Stiefvater Offiziere, so dass die Kindheit des Jungen in Garnisonsstädten und Offizierswohnheimen verlief.

Sein erstes seriöses Gedicht hieß »Der General« und war dem Ungarn Máté Zalka gewidmet, der als »General Lukacz« 1937 im Spanienkrieg fiel. 1939, kurze Zeit nach Abschluss des Moskauer Literaturinstituts, berichtete er als Militärkorrespondent über den sowjetisch-japanischen Grenzkonflikt am Halchin-Gol in der Mongolei. Seit Juni 1941 arbeitete er als Kriegsberichterstatter, hauptsächlich für die Armeezeitung »Krasnaja Swesda«. Gegen Kriegsende besaß er den Rang eines Oberstleutnants. Seine Erlebnisse schlugen sich in seinen Kriegstagebüchern, Romanen und Gedichten nieder.

Simonows »Kriegstagebücher«, unmittelbar an der Front geschrieben, später durch Material aus den Archiven ergänzt, kommentiert und 1977 veröffentlicht, dokumentieren die Jahre 1941 bis 1945. Im Vorwort schreibt der Autor, der russische Titel »Verschiedene Tage des Krieges« besage, dass es sich nicht um die Memoiren eines Berufssoldaten oder die Arbeit eines Historikers handelt, sondern um Aufzeichnungen eines Schriftstellers, »der mit eigenen Augen einen Bruchteil des Geschehens im Großen Vaterländischen Krieg gesehen hat« und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Die Einträge von Anfang 1944 beziehen sich auf den gerade abgeschlossenen Roman »Tage und Nächte«. Er glaube, das Buch wahrheitsgetreu geschrieben zu haben, »jedenfalls soweit das im Krieg überhaupt möglich ist, solange der Kampf nicht beendet und der Künstler verpflichtet ist, mit jedem seiner Werke vor allem zu agitieren und erst in zweiter Linie zu analysieren«.

»Tage und Nächte« handelt vom Beginn der Schlacht um Stalingrad und von der Liebe zwischen Hauptmann Saburow und der Sanitäterin Anja, von einem Kampf auf Leben und Tod, der trotz aller Tragik mit dem Glücksgefühl endet, dass der Gegner die Wolga nicht überschreiten werde.

Die gleiche Zuversicht durchdringt alle folgenden Romane Simonows. In der großen Trilogie »Die Lebenden und die Toten« erleben Iwan Sinzow aus der Schützengrabenperspektive und General Serpilin auf der Stabsebene den Krieg, der für beide in der Tagen der Niederlage und des Sieges eine Tragödie ist - 1941 vor Moskau (»Die Lebenden und die Toten«), 1943 in Stalingrad (»Man wird nicht als Soldat geboren«) und 1944, als der Sieg näher rückt und die Menschen aufatmen, darüber nachdenken, wie es nach dem Krieg sein wird, und hoffen, dass »nirgends auf der Welt mehr geschossen wird« (»Der letzte Sommer«).

Von Simonows Gedichten wird »Wart auf mich, ich komm zurück,/ Aber warte sehr« (Dezember 1941, geschrieben für Valentina Serowa, die dritte Ehefrau des Schriftstellers) sicher länger bleiben als »Töte ihn!« (»Wenn dein Haus dir lieb ist«) vom Juli 1942. Ehrlichen Ausdruck findet sein Verhältnis zu Deutschland in dem Gedicht »Ein Deutscher«, das dem Antifaschisten Ernst Busch ein Denkmal setzt, der 1933 ohnmächtig war, »seine Stadt zu retten« und »fünfmal der Gestapo entkam«.

Simonow erhielt sechs Mal den Stalinpreis (u.a. für die Schauspiele »Die russische Frage« und »Der fremde Schatten«). Kurz vor seinem Tod unternahm er mit dem Buch »Aus der Sicht meiner Generation. Gedanken über Stalin« den Versuch, die blutige Geschichte des Stalinismus aufzuarbeiten. Als hoher Funktionär der Partei und des Schriftstellerverbandes, Chefredakteur der Zeitschrift »Nowy mir« (1946/50 und 1954/58) und der »Literaturnaja gaseta« (1950/53) verhielt er sich widersprüchlich. Er beteiligte sich an den ideologischen Kampagnen gegen Achmatowa und Soschtschenko (1946) sowie Ehrenburgs »Tauwetter« (1954), lehnte Pasternaks »Doktor Shiwago« ab, trat aber auch für die Veröffentlichung von Solschenizyns »Iwan Denissowitsch« (1962) und Bulgakows »Der Meister und Margarita« (1966) ein, engagierte sich für Ilf und Petrow, Arthur Miller, Hemingway und andere. 1977, in seiner Antwort auf den Offenen Brief des Schriftstellers Alfred Andersch, ging er mit der eigenen Intoleranz ins Gericht und plädierte für ein besseres gegenseitiges Verstehen.

Simonow starb 1979. Seine Romane und Gedichte fanden in der ganzen Welt viele Leser. Es wäre unverzeihlich, würden wir sie aus unserem Gedächtnis streichen.

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