Grenzenlos Fußball spielen
Folge 80 der nd-Serie »Ostkurve«: In der neu gegründeten Future League treffen sechs U 23-Mannschaften aus Deutschland und Tschechien aufeinander
Ungewöhnlich rege war das Treiben am Montagabend im Neustädter Stadion. Die einzige Stehtribüne, die die kleine Anlage zu bieten hat, war gut gefüllt, das Vereinsheim deutlich belebter als gewöhnlich. Sogar Fangesänge waren zu hören. Allerdings wurde hier auch nicht der Heimatverein SSV Neustadt angefeuert, sondern Dynamo Dresden. Der Drittligist spielte gegen Slovan Liberec. Ein absoluter Höhepunkt für die 12 000-Einwohner-Stadt in Ostsachsen, die nur 30 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt liegt.
Doch wie kam es dazu, dass zwei so hochrangige Vereine mitten in der ostdeutschen Provinz ein Fußballspiel austrugen? Die Antwort lautet: Future League. Es ist eine im Sommer neu gegründete Liga für U 23-Mannschaften. Es spielten in Neustadt also nicht die Fußballprofis aus Dresden und Liberec gegeneinander, sondern die Nachwuchsmannschaften der beiden Klubs. Die Teams der Future League setzen sich aus Talenten der A-Jugend und Spielern der Anschlusskader der ersten Mannschaft zusammen. Die Regel lautet: Drei Spieler dürfen älter als 23 Jahre alt sein. So standen bei Dynamo Dresden auch erfahrene Fußballer wie Jean-Francois Kornetzky, Marco Hartmann und Mathias Fetsch auf dem Platz.
Die Future League unterscheidet sich vom normalen Ligabetrieb erheblich. Nur sechs Mannschaften treten in dieser Spielklasse gegeneinander an: Drei Traditionsvereine aus den neuen Bundesländern - Hallescher FC, Chemnitzer FC und Dynamo Dresden - und drei tschechische Klubs - Sparta Prag, FK Teplice und Slovan Liberec. Auch die Spielregeln wurden teilweise verändert: So steht jeder Mannschaft in jeder Halbzeit eine Auszeit von zwei bis drei Minuten zu. Dafür wurde die Halbzeitpause auf zehn Minuten reduziert. Und: Alle Ersatzspieler dürfen eingewechselt werden. Allerdings können Wechsel nur in der Halbzeitpause und in den Auszeiten durchgeführt werden.
Entstanden ist die Future League, nachdem der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga beschlossen hatten, dass Profivereine keine regulären zweiten Mannschaften mehr führen müssen. Der HFC, Dresden und Chemnitz nutzten diese Gelegenheit, um Geld zu sparen. Denn die U 23-Teams kosteten die Vereinen eine Menge. Dynamo Dresden soll etwa jährlich um die 200 000 Euro dafür ausgegeben haben. Gemessen an dieser Summe kam letztlich zu wenig dabei heraus. Denn ihre eigentliche Aufgabe, jungen Talenten den Weg in den Profikader zu ebnen, erfüllten die zweiten Mannschaften nur selten.
Nun gibt es dafür die Future League. Mit dem Spiel Dresden gegen Liberec wurde die erste Halbserie abgeschlossen. Dynamo liegt nach dem 4:1-Sieg an der Tabellenspitze und hat gute Chancen, den ersten Premierentitel zu holen. Doch darum geht es nur in zweiter Linie. »Natürlich wollen wir die Spiele gewinnen. Aber vorrangig geht es darum, die Jungs zu entwickeln und sie an die erste Mannschaft heranzuführen«, sagt Dresdens Coach Peter Nemeth, der gleichzeitig Assistent von Dynamos Drittligatrainer Uwe Neuhaus ist.
Kann dieses Ziel tatsächlich erreicht werden, wo doch schon die regulären zweiten Mannschaften daran scheiterten? Kaum zu glauben, dass diese abgespeckte Variante eines U 23-Teams bei nur zehn Spielen pro Saison und ohne eigenes Budget besser dazu geeignet ist. Doch Peter Nemeth ist von der Idee der Future League voll und ganz überzeugt. »Die Spieler haben die Chance, international aufzutreten. Und es sind ja auch Ältere aus dem Profikader dabei. Sie spielen also gegen echte Männer«, sagt er und fügt hinzu: »Die Future League bringt sehr viel. Sie ist eine Ergänzung zum normalen Ligabetrieb. Sie erfüllt, was wir von ihr erwartet haben.«
Sicher ist, dass diese Liga für die Fans eine Bereicherung ist. Sie bietet die Möglichkeit, den Spielern ganz nah zu sein. Eine viel bessere als im normalen Ligabetrieb, da die Partien meist auf Plätzen in kleineren Orten ausgetragen werden, wo die Barrieren zwischen Fans und Spielern nicht so groß sind. In Neustadt warteten nach dem Spiel zahlreiche Dynamo-Anhänger vor der Umkleidekabine, um mit den Spielern noch ein paar Worte zu wechseln. Auch in Weißig und Freital, den anderen beiden »Heimspielorten« der Dresdener in der ersten Halbserie, war das der Fall. »Wir können Werbung für uns machen«, meint Peter Nemeth. Gleiches gilt für die anderen ostdeutschen Klubs, die ihre Heimspiele ebenfalls in der Provinz austrugen: Chemnitz trat in Flöha, Marienberg und Limbach-Oberfrohna an, der HFC in Grimma und Dessau.
Auch die tschechischen Vereine scheinen sich mit dem ungewöhnlichen Konzept angefreundet zu haben. »Die deutschen Spieler sind kräftiger und körperlich besser. Für unsere Jungs ist das eine sehr gute Erfahrung«, sagt Jiri Liska von Slovan Liberec. Und: »Verletzte Spieler aus der ersten Mannschaft erhalten die Möglichkeit, über die Future League wieder den Anschluss nach oben zu finden.« Dass seine Talente die Spiele nutzen könnten, um sich deutschen Vereinen, bei denen man sehr viel mehr Geld verdienen kann als in Tschechien, anzubieten, stört den Mannschaftsleiter kaum: »Deutschland ist für viele tschechische Spieler interessant. Das Niveau ist viel höher. Die deutsche vierte Liga ist zum Beispiel viel besser als die tschechische zweite.« Liska spricht aus eigener Erfahrung. Er selbst ist seit 2012 in Deutschland aktiv, erst als Spieler und seit dieser Saison als Co-Trainer des Oberligisten FC Oberlausitz Neugersdorf.
Man darf gespannt sein, ob der Future League eine langfristige Zukunft bevorsteht oder ob sie nur eine Zwischenlösung ist. Entscheidend wird sein, ob Talente darüber den Weg in die Profimannschaften der Klubs finden. Bis jetzt scheint aber die Freude über die neue Liga zu überwiegen. Nicht nur bei den Spielern und Verantwortlichen. Auch und ganz besonders bei den Fans in Neustadt, Grimma und Limbach-Oberfrohna.
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