SPD-Politiker nennt Finanzkompromiss inakzeptabel

Thüringer Abgeordneter Schneider sieht zu hohe Kosten für den Bund / Ministerpräsident Ramelow warnt vor Verwässerung des Kompromisses / Ostdeutsche Länder einigermaßen zufrieden

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Berlin. In Ostdeutschland sind die Finanzpolitiker einigermaßen zufrieden mit dem Kompromiss der Länder bei den Finanzverhandlungen mit dem Bund. Von einem Teilerfolg ist die Rede, drohende Verschlechterungen bei der weiterhin prekären Finanzausstattung seien verhindert worden. Offen ist, ob die Bundesregierung zustimmt.

Die Debatte geht bereits weiter: Trotz des mehrheitlich von SPD-regierten Ländern getragenen Vorschlags zur Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs kommt Kritik auch aus der SPD. Fraktionsvize Carsten Schneider hält das vorgelegte Modell für inakzeptabel. »Erneut war eine Einigung zwischen den Ländern offenbar nur auf Kosten des Bundes möglich, ohne ihn dabei zu beteiligen«, sagte der Thüringer Politiker der »Rheinischen Post«. Die Summe, die dazu dienen solle, den bisherigen Ausgleich zwischen den Ländern teilweise zu kompensieren, sei »in der Höhe und der Dynamik nicht akzeptabel«, sagte Schneider.

Dagegen sprach Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei von einem Teilerfolg der ostdeutschen Länder bei den Finanzverhandlungen. Der vorgeschlagenen Lösung muss der Bund noch zustimmen. Ramelow warnte vor einem Verwässern des Kompromisses, dem auch Thüringen zugestimmt habe. »Wir haben hart verhandelt und einiges an drastischen Verschlechterungen verhindert.« Auf der Habenseite stehe, dass die Ost-Länder dauerhaft einen Ausgleich für die finanziellen Einbußen nach dem Solidarpaktende 2020 erhalten sollen. Die ostdeutschen Länder haben vor allem Klärungsbedarf, weil der Solidarpakt Ost im Jahr 2019 ausläuft.

Thüringen würde der Länderkompromiss zur Neuordnung der Finanzbeziehungen jährlich 442 Millionen Euro bringen. Das entspreche einem Betrag von 205 Euro pro Einwohner, teilte das Finanzministerium am Freitag in Erfurt mit. Es handele sich dabei jedoch nicht um zusätzliches Geld, sondern sichere nur, dass das Land wie gefordert finanziell nicht schlechter gestellt werde als bisher, sagte Finanzministerin Heike Taubert (SPD). Letztlich kompensierten die Zahlungen den dreistelligen Millionenbetrag, den Thüringen 2019 letztmalig aus dem Solidarpakt zum Aufbau Ost erhalte. In diesem Jahr fließen über den Solidarpakt nach Angaben von Taubert noch rund 700 Millionen Euro in die Landeskasse, im letzten Jahr 2019 seien es noch rund 300 Millionen Euro. Wenn ab 2020 nur die tatsächlichen Leistungen des Bundes betrachtet werden, bekäme Thüringen nur 294 Millionen Euro.

Der Kompromiss könnte Brandenburg vom Jahr 2020 an jährlich 292 Millionen Euro in die Kasse bringen. Das wären 122 Euro pro Einwohner, wie Finanzminister Christian Görke (Linke) am Freitag mitteilte. Laut Görke wäre mit der angestrebten Neuregelung »der Status quo der Finanzausstattung annähernd gesichert«. Er erwarte, dass der Bund das Verhandlungsergebnis mittrage. »Die Tatsache, dass Brandenburg im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern einen geringeren Beitrag erhält, liegt in der im Vergleich in den letzten Jahren gestiegen eigenen Finanzkraft begründet.« Die Einnahmen der Kommunen in Brandenburg und des Landes seien zwar noch immer deutlich geringer als die in westdeutschen Bundesländern, aber deutlich höher als im Rest der ostdeutschen Bundesländer. Das liege vor allem an den vielen Unternehmensansiedlungen im Berliner Umland, wie ein Sprecher erläuterte.

Sachsen-Anhalt würde vom Konzept der Länder für die Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen zum Bund stark profitieren. Das sagten Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) am Freitag in Magdeburg. Sachsen-Anhalt würde die angepeilte Regelung ab dem Jahr 2020 jährlich rund 450 Millionen Euro bringen, 200 Euro pro Einwohner. »Das Geld kann 1:1 in Investitionen umgesetzt werden«, sagte Bullerjahn.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat sich derweil zuversichtlich zu den Chancen auf eine Einigung mit Bundesfinanzminister Schäuble geäußert. Der zwischen den Ländern vereinbarte Kompromiss sei für alle zufriedenstellend und damit die Voraussetzung, um mit dem Bund zu verhandeln, sagte er am Donnerstag nach einem Treffen der Länder-Regierungschefs in Berlin. »Ich glaube, mit 16 zu 0 haben wir in gutes Argument in der Tasche.« Der Kompromiss sehe vor, dass die ostdeutschen Länder die sogenannte SoBEZ-Tranche (Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen) des Jahres 2019 einschließlich der Entflechtungsmittel weiter erhalten sollen »und einen Schnaps oben drauf«, sagte Tillich. Für Sachsen bedeute der Kompromiss 807 Millionen Euro pro Jahr. »Ich bin froh, dass es uns die Chance eröffnet, im Konzert der 16 Länder nicht nur den Anschluss zu halten, sondern mit eigener Kraft letztendlich aufzuschließen.«

Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), hat die Einigung der Länder auf eine gemeinsame Linie bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen begrüßt. Sie hätten einen vernünftigen Kompromiss gefunden, erklärte Sellering am Donnerstag. Nach seinen Angaben würde Mecklenburg-Vorpommern ab 2020 rund 358 Millionen Euro mehr im Vergleich zum alten Finanzausgleichssystem erhalten. »Damit würde der Verlust der Solidarpaktmittel zumindest teilweise ausgeglichen werden«, sagte Sellering. Er sprach von einem sehr guten Ergebnis für den Nordosten.

Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat die angestrebte Neuordnung der Länder-Finanzbeziehungen als Erfolg für Berlin gewertet. »Wenn der Bund der gestern getroffenen Verständigung der Länder zustimmt, bekommt Berlin einen Ausgleich für die 2020 wegfallenden Mittel aus dem Solidarpakt«, erklärte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Das Land müsse das daraus entstehende Haushaltsloch dann nicht mit Mehreinnahmen stopfen, sondern bekomme das fehlende Geld vom Bund. »Für Berlin wäre das eine gute Perspektive«, erklärte Kollatz-Ahnen. Seiner Sprecherin zufolge müsste der rot-schwarze Senat dann auch nicht die Gewinne der Berliner Stadtreinigung (BSR) abschöpfen. Stattdessen könnten diese investiert werden.

Die Länder hatten sich am Donnerstag auf eine gemeinsame Linie in den Verhandlungen mit dem Bund über eine Neuordnung der Finanzbeziehungen verständigt. Sie fordern vom Bund Ausgleichszahlungen von bis zu 9,7 Milliarden Euro jährlich ab 2020. Der hatte bisher 8,5 Milliarden angeboten. Zudem soll der umstrittene Länderfinanzausgleich abgeschafft und durch ein Umsatzsteuermodell ersetzt werden. Agenturen/nd

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