CSU will Mindestlohn wieder abschaffen

Michelbach wettert gegen »Abschottung des Arbeitsmarkts« / Kontra von Bundesagentur-Chef Weise / Linkenpolitiker Gallert: Bemerkenswert, dass hier CDU-Mitglied CSU-Forderungen widerspricht

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Berlin. Der CSU-Politiker Hans Michelbach hat gefordert, den gesetzlichen Mindestlohn wieder abzuschaffen. »Was hier auf Druck der SPD ins Gesetzblatt gekommen ist, bedeutet eine Abschottung des Arbeitsmarkts für Menschen ohne Beschäftigung«, erklärte Michelbach am Freitag in München. Dies zeige sich gerade angesichts der aktuell hohen Flüchtlingszahlen überdeutlich.

Michelbach forderte auch eine Aufhebung des Zeitarbeitsverbots für Flüchtlinge. »Damit werden Chancen zur raschen Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt leichtfertig vergeben«, kritisierte der CSU-Politiker. Ebenso mache das Mindestlohngesetz beispielsweise längere Praktika von Flüchtlingen in Betrieben nahezu unmöglich.

SPD, Linkspartei, Grüne und Gewerkschaften lehnen eine Aufweichung des Mindestlohns oder einen Verzicht auf das Zeitarbeitsverbot für Flüchtlinge ab. Sie argumentieren, dass Flüchtlinge nicht als Billig-Arbeitskräfte missbraucht werden dürften, zumal dies dann zu Wettbewerbsverzerrungen und generellem Lohndumping führen könne.

Auch der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hat sich gegen eine Aufweichung des Mindestlohns bei Flüchtlingen ausgesprochen. Flüchtlinge sollten wie andere Beschäftigte auch von Anfang an den gesetzlich vereinbarten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde erhalten, sagte Weise der Deutschen Presse-Agentur.

Grundsätzlich sei das allerdings eine politische Diskussion, an der er sich eigentlich nicht beteiligen wolle. Frage man ihn allerdings als Arbeitsmarkt-Experten, so habe er dazu eine klare Haltung: »Ich selbst würde in die Richtung denken, Menschen zu befähigen, dass sie so viel leisten, dass sie den Lohn auch verdienen«. Unternehmer sollten sich daher nicht die Frage stellen, »Was kann ich am Mindestlohn drehen?«, sondern fragen, »Was kann ich unter den gegebenen Rahmenbedingungen unternehmen, Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen?«, sagte Weise.

Auch im Falle von Flüchtlingen müsse es darum gehen, »Menschen so zu befähigen, dass sie in unserem anspruchsvollen Arbeitsmarkt bestehen können.« Dafür stehe den Unternehmen das gesamte Förderinstrumentarium der Bundesagentur zur Verfügung. Unternehmen könnten zum Beispiel Flüchtlinge unterstützt von der Bundesagentur in der Praxis erproben. Diese Maßnahmen können bis zu sechs Wochen dauern. Auch böten Arbeitsagenturen den Unternehmen Hilfe bei der Qualifizierung von Flüchtlingen an.

Weise widersprach wiederholten Forderungen aus der Wirtschaft, den Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen. Flüchtlinge müssten behandelt werden wie Langzeitarbeitslose, bei denen der Mindestlohn für eine gewisse Zeit nicht gelte, hatte etwa der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, gefordert. Das Münchner Ifo-Institut hatte sich sogar dafür ausgesprochen, den Mindestlohn wegen des Flüchtlingszustroms für alle Arbeitnehmer abzuschaffen. Niedriglöhne sollten wieder mit staatlichen Zuschüssen aufgestockt werden.

Der Linksfraktionschef in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, sagte zu den neuerlichen Versuchen, die Flüchtlinge mit Sonderregeln zu billigen Arbeitsnomaden zu machen, »wenn das CDU-Mitglied Weise« als Chef der Bundesagentur für Arbeit den Mindestlohn zum Beispiel gegen den Ministerpräsident Reiner Haseloff »verteidigt, ist das bemerkenswert«. Auch der CDU-Politiker Haseloff hatte Ausnahmen für Geflüchtete vom Mindestlohn gefordert. Agenturen/nd

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