SPD macht den Cameron

Nahles und Scholz für Beschneidung der Freizügigkeit / Soll so ein drohender »Brexit« verhindert werden?

  • Lesedauer: 2 Min.
Führende SPD-Politiker wollen Sozialleistungen für EU-Ausländer beschränken. Beobachter deuten den Schritt als Annäherung an die britische Regierung.

Berlin. Die SPD macht nun auch Front gegen Sozialleistungen für EU-Ausländer. Nach Arbeitsministerin Andrea Nahles hat sich auch Vizeparteichef Olaf Scholz dafür ausgesprochen, dass EU-Ausländer erst dann Sozialleistungen beantragen können, wenn sie ein Jahr in einem Land gelebt und gearbeitet haben. Entsprechende Urteile habe der Europäische Gerichtshof schon gefällt. »Freizügigkeit bedeutet nicht, dass man sich aussuchen kann, wo man Sozialleistungen erhält«, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister dem »Spiegel« laut Vorabmeldung. Wanderungsbewegungen durch höhere Sozialleistungen wolle keiner. Scholz plädiert »dafür, die deutschen Sozialgesetze für europäische Zuwanderer präzise an die europäische Rechtsprechung anzupassen«.

Zuvor hatte Nahles gefordert, den Sozialhilfeanspruch von EU-Ausländern zu beschränken. »Wir müssen die Kommunen davor bewahren, unbegrenzt für mittellose EU-Ausländer sorgen zu müssen«, sagte sie der »Rheinischen Post«. Die Aussagen sind eine Reaktion auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes von Anfang Dezember. Das hatte entschieden, dass EU-Bürger bei einem Aufenthalt ab sechs Monaten in Deutschland Hilfen zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe beantragen können. EU-Bürger, die nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu erhalten oder erstmals eine Arbeit zu suchen, sind nach deutschem Recht vom Hartz-IV-Bezug ausgeschlossen. Allerdings müsse die Sozialhilfe einspringen, um das Existenzminimum zu sichern, so die Richter.

Die Kommunen befürchten dadurch erhebliche Mehrbelastungen. Nach Schätzung des Städte- und Gemeindebundes hätten dann zusätzlich 130 000 Menschen in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe. Dies ist aber offenbar nur ein Motiv für die Rufe nach Einschränkung der Leistungen. Es gehe auch darum, so Beobachter, Großbritannien in der EU zu halten. Der konservative britische Premier David Cameron hatte im November einen Verbleib des Königreichs in der EU auch davon abhängig gemacht, dass Sozialleistungen für EU-Ausländer und ihr Zuzug begrenzt werden können: EU-Bürger sollen nach Einwanderung künftig mindestens vier Jahre arbeiten, bevor sie in Großbritannien einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen haben. Das Onlinemagazin »Politico« meldet nun, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande könnten sich eine dreijährige Sperre vorstellen.

Ursprünglich hatte Merkel erklärt, das Prinzip der Freizügigkeit und der Nicht-Diskriminierung stünden nicht zur Disposition. Nun deuten die Signale in eine andere Richtung. Die Äußerungen aus der SPD könnten den Boden dafür bereiten, die Kursänderung innenpolitisch abzustützen. Nahles zeigte sich zuversichtlich, eine schnelle Einigung erzielen zu können. Zuvor hatte bereits die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, ein entsprechendes Gesetz gefordert. Agenturen/nd

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