Die Wunderkerze brennt

Sozialverbände und Opposition wollen zurück zur Parität in Krankenkassen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.

2016 wird für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen Realität, was ihnen seit Jahren angekündigt worden war. Die meisten von ihnen müssen jetzt Zusatzbeiträge in spürbarer Höhe zum allgemeinen Beitragssatz zahlen - ohne dass der Arbeitgeber sich daran beteiligt. Hinzu kommt die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf 50 850 Euro im Jahr.

Die politische Wunderkerze zur Sanierung der Kassen und Ermunterung der Arbeitgeber, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, wurde bereits 2008 gezündet, kam aber bisher nicht so recht zum Zuge. Als die DAK vor sechs Jahren einen pauschalen Zusatzbeitrag von acht Euro erhob, verließen Hunderttausende die Kasse. Peinlich achteten die Mitbewerber seither darauf, nicht in die gleiche Lage zu kommen. Doch steigende Ausgaben bei sinkenden Einnahmen, verbunden mit kostenintensiven Reformen ließen dem Bundesversicherungsamt - es ist für die Festlegung des jährlichen durchschnittlichen Zusatzbeitrages verantwortlich - keine andere Wahl, als die Kassen zu dieser unpopulären Maßnahme zu zwingen. Es legte im Herbst 2015 den durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent fest. Sieht man einmal von der Metzinger BKK ab, in die nur Krankenversicherte aus Baden-Württemberg wechseln dürfen, verzichtet kaum eine Kasse auf diese Einnahmen. Der Trend wird sich verstärken, sind sich die meisten Gesundheitsexperten einig.

Der Grund sind vor allem kostenintensive Gesetze. So können seit dem 1. Januar 2016 Pflegebedürftige zusätzliche Leistungen in Anspruch nehmen. Die Krankenkassen müssen dem Gesetz nach mehr Geld für Prävention ausgeben und Gesundheitsförderung in Kitas, Schulen, Pflegeeinrichtungen sowie Betrieben stärken. Untersuchungen von Gesundheitsrisiken, Früherkennung und Präventionsberatung sind künftig bereits ab dem 18. Lebensjahr möglich. Das Mindestalter von 35 Jahren für bestimmte Vorsorgeuntersuchungen entfällt. Arzttermine müssen schnell vermittelt werden oder der Versicherte kann sich im Krankenhaus behandeln lassen. Für die Krankenhäuser zahlen die Kassen in den nächsten vier Jahren sechs Milliarden Euro zusätzlich.

Vor diesem Hintergrund rufen Sozialverbände und Gewerkschaft nach einer Rückkehr zur paritätischen Finanzierung all dieser zusätzlichen Kosten. Das dürfte schwierig werden, denn die Regierung hat vor einem Jahr eigens den allgemeinen Beitragssatz gesenkt, um Raum für Zusatzbeiträge zu schaffen. Gewerkschaft und Sozialverbände wollen nun die Finanzierung der Krankenkassen zum Wahlkampfthema machen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal