In erster Linie Fußballer

Mahmoud Dahoud setzt sich in Mönchengladbach durch und will sich nicht als Flüchtling inszenieren lassen

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Mahmoud Dahoud wird in Mönchengladbach mit Lob überschüttet und bekommt im Spiel bei Borussia Dortmund eine Schlüsselrolle. Reden soll der Syrer aus sportpolitischen Gründen aber lieber nicht.

Dass was Mahmoud Dahoud von seinem ziemlich aufregenden Leben preisgibt, sah in den vergangenen Tage sehr profan aus. Und beschränkte sich auf Bilder aus dem Alltag eines Profifußballers - dem Trainingslager in Belek. Auf dem letzten in der Internetplattform »Instagram« eingestellten Foto setzt der Profi von Borussia Mönchengladbach entschlossen im Zweikampf mit Granit Xhaka seinen Körper ein. Er trägt darauf eine schwarze Mütze und scheint in dem Duell mit dem nicht minder verbissenen Kapitän nicht nachgeben zu wollen. Mehr Symbolik geht kaum.

Denn wenn der Bundesligavierte am Samstag zum Spitzenspiel des Rückrundenauftakts beim Zweiten Borussia Dortmund antritt, wird Dahoud auflaufen und Xhaka zuschauen: Der impulsive Platzhirsch brummt mal wieder eine Rot-Sperre ab. Also übernimmt der syrisch-stämmige Aufsteiger, der nicht weniger energisch, aber eben doch kontrollierter zur Sache geht. Trainer André Schubert sorgt sich bei seinem seit dem 1. Januar 20 Jahre alten Juwel um etwas ganz anderes: »Mo ist ein leistungsstarker, laufwilliger Spieler, der aber noch lernen muss, den einen oder anderen Weg ruhiger oder gar nicht zu machen. Er muss noch effektiver spielen.«

Dahoud galt als eine der Entdeckungen der Hinrunde, aber neigte tatsächlich dazu, seine Kräfte zu überschätzen. Zur Halbzeit des letzten Champions-League-Gruppenspiels gegen Manchester City hatte er bereits sieben Kilometer abgespult, und seinem Trainer war schnell klar, dass er dieses Pensum nicht durchhalten würde. »Nach einer Stunde musste ich ihn auswechseln.« Ansonsten aber lobte Schubert in Belek sein Talent wieder über den grünen Klee. »Mo steht für besonderen Ehrgeiz und Einsatz. Und ich habe mich gewundert, dass er sein außergewöhnliches Niveau fast immer beibehalten hat.«

26 Pflichtspiele stehen in der Halbjahresbilanz, und sein erstes Bundesligator schoss der 1,77 Meter große Spieler mit der kräftigen, pechschwarzen Mähne ausgerechnet beim Schubert-Debüt (4:2 gegen den FC Augsburg). Gleichwohl hatte schon Vorgänger Lucien Favre früh Dahouds Begabung erkannt: Nachdem er in der Sommervorbereitung 2013 bei einem Turnierspiel gegen den FC Bayern auftrumpfe, schwärmte der Schweizer über dessen Spielintelligenz: »Mo hat das gewisse Etwas. Er zeigt Sachen, oh la la ...«

In der umkämpften Schaltzentrale, wo so wenig Raum und Zeit wie nirgendwo sonst auf dem Spielfeld vorhanden ist, besticht nicht nur der Fleiß, sondern auch die Auffassungsausgabe dieses Spielers. »Mo ist ein Spieler, der intuitiv ganz viel richtig macht«, stellt Sportdirektor Max Eberl fest. Umso besser der vertraglich bis 2018 an Mönchengladbach gebundene, aber angeblich schon von Topvereinen aus dem Ausland beobachtete Dahoud wird, desto größer ist das öffentliche Interesse.

Zumal seine Vita in den Zeiten der allgegenwärtigen Flüchtlingsdebatte die ganz große Story hergäbe. Er ist in der nordsyrischen Stadt Amude geboren, aber bereits im Babyalter von neun Monaten nach Deutschland gekommen, als seine Eltern aus der heute fast völlig zerstörten Heimat flohen.

Dahoud aber hat sich bislang zum Schweigen entschieden - und der Traditionsverein vom Niederrhein unterstützt ihn dabei. »Ich glaube, dass er diese Flucht gar nicht so sehr wahrgenommen hat. Er möchte sich zu dieser Thematik zurückhalten, weil diese Geschichte sehr direkt seine Familie betrifft«, erklärt Eberl. Deshalb ist bislang selbst über Klubmedien wie »Fohlen TV« nichts zur Thematik erschienen. »Es würde nicht helfen, wenn wir aus Effekthascherei ihn da in eine Rolle drängen. Seht her, wir haben einen Syrer, der jetzt darüber redet. Wir tun gut daran, dass wir ihn zuerst als sehr guten Fußballer wahrnehmen«, sagt Eberl.

Für Erstaunen im Borussia-Park hatte etwa eine Szene gesorgt, als das Eigengewächs - als 14-Jähriger von Fortuna Düsseldorf ins Gladbacher Internat gekommen - mit dem von Zinédine Zidane berühmt gemachten Trick sogar Franck Ribery ins Leere laufen ließ. Den Vergleich mit dem heutigen Real-Trainer kann Dahoud schon deshalb nicht vermeiden, weil er seinen eigenen Instagram-Account mit dem Künstlernamen Zidane versehen hat. Einer seiner 23 000 Follower kommentierte dort kürzlich: »Wer braucht ’nen Zidane wenn man ’nen Dahoud hat?«

Einmal hat sich Dahoud in der Flüchtlingsdebatte doch mal aus der Deckung gewagt. Als er jenes schockierende Bild des gestrandeten toten Flüchtlingskindes Aylan in seinem Profil einstellte, das die Welt so bewegte: »Wann wacht die Menschheit auf?« 15 000 Menschen gefiel der Kommentar. Trotzdem lässt er seitdem allein wieder seine Taten auf dem Fußballplatz sprechen. Und die dazugehörigen Alltagsbilder.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal