Bei Merkel in der Warteschlange

Die Flüchtlingskrise könnte zu einem Ende der Sparpolitik führen - in Deutschland wie Europa

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Die SPD-geführten Länder stehen in der Flüchtlingspolitik eher hinter der Kanzlerin als ihr eigenes Lager. Sie fordern nun aber Milliardeninvestitionen.

Wenn Angela Merkel lösen will, was man Flüchtlingskrise nennt, ist sie auf viele angewiesen - und alle haben Forderungen. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi funkt über die Alpen, dass die »Sparpolitik« in der EU aufgeweicht werden müsse. Nur dann könne sich Italien an der Milliardenzahlung beteiligen, mit denen die EU Fluchtbewegungen über die Türkei drosseln möchte.

Kaum anders die deutschen Länderchefs, mit denen sich die Kanzlerin am Donnerstagabend besprechen wollte. Wenn sie - wie die im Wahlkampf stehende Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) - grundsätzlich Unterstützung signalisieren, wollen sie Geld. Vor dem Treffen forderte Dreyer ein Investitionsprogramm für Bildung und Arbeit: man brauche das »Signal«, dass »Bund und Länder gemeinsam anpacken und für Sicherheit und Zusammenhalt sorgen«, sagte sie der »Passauer Neuen Presse«. Das würde auch Bedenken der Bürger zerstreuen. Die SPD-Länder wollten die Forderung präzisieren; der Finanzrahmen beträgt etwa fünf Milliarden Euro.

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hat die »Erwartung, dass der Satz von Frau Merkel, ›Wir schaffen das‹, endlich mit einer Finanzzusage von Herrn Schäuble verbunden wird«, wie er im rbb sagte. Seine Saarbrücker Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach von einer nationalen Aufgabe.

Andere Landespolitiker wollen zusätzlich politische Zugeständnisse - vor allem die aus Merkels eigenem Lager. So forderte jüngst nicht nur Dreyers Kontrahentin Julia Klöckner (CDU) weitreichende Änderungen in der Asylpolitik, sondern auch Bayerns Horst Seehofer (CSU).

Als Parteichef nahm dieser schon nachmittags an einem Koalitionsgipfel zur Flüchtlingsfrage teil. Zuvor hatte er, wie schon im Oktober, mit Verfassungsklage gedroht, um seiner Forderung nach einer »Obergrenze« Nachdruck zu verleihen. Nach einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks unterstützen 77 Prozent der Bayern diese Position.

Bei dem Treffen von CDU-Chefin Angela Merkel, dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und Seehofer war es um das sogenannte Asylpaket II gegangen. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hatte im Vorfeld vor »gravierenden Eingriffen in das Asylrecht« gewarnt. Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit dem Status »subsidiären Schutzes« könne eine dreijährige Trennung von Familien bewirken - auch für Syrer. Es war ein Kompromiss im Gespräch, der Kontingente für den Familiennachzug vorsah. Laut Pro Asyl würde die geplante Wohnsitzauflage »selbst anerkannte Flüchtlinge an einen Wohnort fesseln«. Union und SPD wollten zudem Marokko, Algerien und Tunesien zu »sicheren Herkunftsstaaten« erklären.

Zu Redaktionsschluss waren die Ergebnisse noch unbekannt.

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