Mitte für ein Drittel aller Flüchtlinge zuständig

Der Stadtbezirk rechnet 2016 mit mehr als 18 000 Menschen - selbst Plätze in Hostels und Pensionen angemietet

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.
Fast ein Drittel aller Flüchtlinge sind den Papieren nach im Januar geboren. Das stellt den Innenstadtbezirk vor große Herausforderungen.

Sobald das Asylverfahren bei Flüchtlingen abgeschlossen ist, ist nicht mehr das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) für sie zuständig. Stattdessen kommen sie in die Obhut der Bezirke. Aus Zeiten weniger leistungsfähiger Computersysteme stammt noch das Aufteilungsprinzip, nach dem jeder der zwölf Stadtbezirke für je einen Geburtsmonat zuständig ist.

»Mit dem System sollte einst die Mehrfachzahlung von Sozialleistungen verhindert werden«, erklärt Stephan von Dassel (Grüne), Sozialstadtrat von Mitte. Mit einem Blick auf das Geburtsdatum konnte die bezirkliche Zuständigkeit festgestellt werden. Doch die Berliner Bürokratie hatte nicht die Gepflogenheiten in jenen Ländern bedacht, aus denen nun besonders viele Menschen kommen. »In Syrien ist Einschulung am 15. Januar«, berichtet von Dassel. »Und gerade auf dem Land werden Kinder da zum ersten Mal staatlich erfasst«.

Dazu kommt: Menschen, die ohne Ausweisdokumente einreisen, gelten von Amts wegen als am 1. Januar geboren. »Unter dem Strich hat das zur Folge, dass Mitte für die Unterbringung von fast einem Drittel aller Flüchtlinge zuständig wird«, sagt von Dassel. Am günstigsten fährt mit der geltenden Monatsregelung übrigens Friedrichshain-Kreuzberg, dem der kurze Februar zugeordnet ist.

Der Bezirk Mitte hat Anfang Februar eine Schätzung erarbeitet, nach der das Bezirksamt im Laufe dieses Jahres mehr als 18 000 Menschen unterbringen muss. In zehn verschiedenen Positionen werden dort Zahlen addiert und subtrahiert. Man rechnet zum Beispiel mit 4500 im Rahmen des Familiennachzugs dazukommenden Personen, aber auch damit, dass in den vom Senat angekündigten Containerbauten 9000 Menschen aus der Bezirkszuständigkeit untergebracht werden können.

Aus dieser Zwangslage heraus habe man bereits »am Rande der Legalität« 200 Zimmer in verschiedenen Hostels angemietet. Rund 22 Euro beträgt dort der durchschnittliche Preis pro Person und Tag. Das ist weniger als der kürzlich von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) genannte Durchschnittsbetrag von 37 Euro für alle vom LAGeSo angemieteten Flüchtlingsunterkünfte.

Stephan von Dassel würde gerne 2000 Schlafplätze in Hostels und Pensionen mit einem zweijährigen Rahmenmietvertrag sichern. »Dann könnten wir die zehn Prozent der Menschen unterbringen, die auf besonderen Schutz angewiesen sind.« 1000 Plätze könnte er innerhalb von zwei Wochen anmieten, wenn die haushaltsrechtlichen Bedenken im Bezirksamt ausgeräumt wären. Zwar könnten auch so nicht alle Unterbringungsstandards eingehalten werden. »Aber es ist immer noch besser als Turnhallen.«

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