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Transparenz im Werftenskandal

Urteil in Mecklenburg-Vorpommern: LINKE und Grünen dürfen P+S-Mails einsehen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Einblick in die E-Mails zwischen Mecklenburg-Vorpommerns Regierung und den P+S-Werften hätte LINKEN und Grünen im Untersuchungsausschuss nicht verwehrt werden dürfen.

Das Mauern von SPD und CDU im Werften-Untersuchungsausschuss im Schweriner Parlament hat einen gehörigen Dämpfer bekommen: vom Landesverfassungsgericht. Die Greifswalder Richter gaben am Donnerstag in ihrem Urteil einer Klage der LINKEN und der Grünen statt. Demnach hätten die Vertreter der Regierungskoalition der Opposition den E-Mail-Verkehr zwischen Landesregierung und P+S-Werften vollständig zur Verfügung stellen müssen. Mit ihrer Weigerung habe die rot-schwarze Mehrheit gegen die Landesverfassung verstoßen. Es habe sich bei dem Antrag der Opposition um einen Beweisantrag der sogenannten qualifizierten Minderheit gehandelt, so die Vorsitzende Richterin Hannelore Kohl. Eine Ablehnung durch die Koalitionsmehrheit sei nicht zulässig gewesen.

LINKE und Grüne hatten Klage erhoben, weil ihnen Ausschussvorsitzender Jochen Schulte (SPD) den Zugang zu jenen E-Mails verwehrt hatte, die erst als verschollen galten, später aber auf dem Server der P+S-Werften entdeckt worden waren. Die demokratische Opposition erhofft sich von diesen Unterlagen vor allem Antworten auf die Frage: Inwieweit trägt die Regierung Verantwortung dafür, dass dem Land aufgrund der Werftenpleite ein Schaden von rund 270 Millionen Euro entstanden ist?

Rückblende: Als die Schiffbaukrise 2009 auch die Volkswerft Stralsund und die Peene-Werft Wolgast in schwieriges Fahrwasser gedrückt hatte, suchten die Unternehmen ihr Heil in der Fusion. 2010 schufen sie die P+S-Werften. Mit 1750 Mitarbeitern gingen diese an den Neustart, optimistisch betrachtet auch von der Politik. Mecklenburg-Vorpommern gewährte zum Anschub ein Darlehen von 48 Millionen Euro, darüber hinaus bewilligten Bund und Land einen Bürgschaftsrahmen über 326 Millionen Euro.

Von einem Auftragsvolumen über eine Milliarde Euro war die Rede. Aber es fehlte Geld, um den Bau der Schiffe bis zum Ausliefern an die Auftraggeber und der Bezahlung vor- und zwischenfinanzieren zu können. Im August 2012 meldete P+S Insolvenz an. »Ein Großteil der Bürgschaften und Kredite gingen verloren«, konstatiert der Bund der Steuerzahler. Er sieht die Großzügigkeit der öffentlichen Hand gegenüber den Werften ebenso kritisch wie Grüne und LINKE. Auf deren Betreiben hin hatte der Landtag im September 2012 einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er soll unter anderem ermitteln, ob SPD und CDU in Sachen Werften zu leichtfertig mit Geld umgegangen waren.

»Es war schon richtig, was wir gemacht haben«, rechtfertigte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) im April 2015 vor dem Untersuchungsausschuss das Handeln der Koalition. Im Sanierungsgutachten der Beratungsgesellschaft KPMG habe die Regierung »damals nichts gesehen, was uns beunruhigt hätte«.

Hat die Regierung nichts Beunruhigendes gesehen oder hat sie drüber hinweg gesehen? Wussten die Koalitionäre von der wirtschaftlichen Schieflage der Werften früher, als sie behaupten? Haben sie trotz warnender Stimmen allzu großzügig geholfen? Zu solchen Fragen erhofft sich die Opposition Antworten aus dem ihr vorenthaltenen Schriftverkehr.

»Mit seiner Entscheidung hat das Gericht ganz im Sinne von Transparenz und Aufklärung gehandelt«, kommentiert Jeannine Rösler namens der Linksfraktion das Urteil. Es sei eine Ohrfeige für SPD und CDU. Johannes Saalfeld von den Grünen fordert die Koalition auf, »endlich zur Sacharbeit zurückzukehren und ihre Blockadehaltung aufzugeben«.

Die demokratische Opposition hofft nun auf rasche Übergabe der Mails. Mit dem Abschlussbericht des Ausschusses könnte es aber noch etwas dauern: Bis Ende der Legislaturperiode, also vor der Landtagswahl am 4. September, sollte er vorliegen.

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