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Widerstand gegen Gedenken am 17. Juni

Rot-Rot-Grün will in Thüringen einen Gedenktag für die Opfer von SED-Unrecht einführen / Eine LINKE-Abgeordnete trägt dies nicht mit

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Der 17. Juni soll in Thüringen demnächst Gedenktag für die Opfer von SED-Unrecht werden. Doch nicht alle Landtagsabgeordenten der LINKEN stimmen für das Vorhaben. Auch an der Parteibasis regt sich Widerstand.

Erfurt. Innerhalb der Linksfraktion im Thüringer Landtag regt sich offenbar Widerstand gegen die rot-rot-grünen Pläne, den 17. Juni zu einem Gedenktag für die Opfer von SED-Unrecht zu machen. Sie werde einem entsprechenden Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen ihre Stimme nicht geben, sagte die LINKE-Abgeordnete Johanna Scheringer-Wright. Auch zwei andere Parlamentarier der Linksfraktion hätten bei einer parteiinternen Beratung des Vorhabens nicht für diese Pläne gestimmt. Die Führung der Thüringer Linksfraktion wisse um ihre Haltung, sagte Scheringer-Wright. Sie wisse auch von einigem Widerstand an der LINKE-Basis in Thüringen gegenüber den Plänen von Rot-Rot-Grün. Vorher hatte es so ausgesehen, als sei das rot-rot-grüne Vorhaben, in den Reihen der Fraktionen des Regierungslagers ziemlich unumstritten.

Das Thüringer Regierungsbündnis aus LINKE, SPD und Grünen plant, das Feiertagsgesetz des Freistaats so zu ändern, dass in Zukunft am 17. Juni an die Opfer von SED-Unrecht erinnert wird. Der entsprechende Gesetzesentwurf von Rot-Rot-Grün war am Donnertag im Parlament in Erfurt erstmals beraten worden. Erst im Oktober hatte die Koalition das Feiertagsgesetz schon einmal geändert. Damals war darin der 8. Mai als Tag der Befreiung als Gedenktag aufgenommen worden.

Scheringer-Wright befürchtet, dass historisches Unrecht relativiert werden könnte. »Durch diese Einfügung des 17.Juni in eine Reihe mit dem 8. Mai besteht die Gefahr, dass die Bedeutung des 8. Mai als Tag der Befreiung von der historisch einzigartigen industriellen Massenvernichtung von Menschen und der Beendigung des mörderischen Krieges in Europa relativiert wird«, sagte sie. »Wir leben in einer Zeit, in der – auch in Thüringen – immer breiter eine einseitige Geschichtsbetrachtung der Geschehnisse von 1945 bis 1989 in der DDR geteilt wird und unwidersprochen von erster (Faschismus-) und zweiter (DDR-) Diktatur gesprochen wird.« Dadurch werde versucht, beide Systeme auf eine Stufe zu heben und damit bewusst oder unbewusst Geschichtsverfälschung betrieben.

Zwar habe es in der DDR Unrecht gegeben, sagte Scheringer-Wright. Das müsse auch aufgearbeitet werden. »Jedoch befürchte ich gerade mit Blick auf den wachsenden Rechtspopulismus auch in der Mitte der Gesellschaft, dass durch formale Gedenktage eine Aufarbeitung, die zu Lehren für die Gegenwart und Zukunft führen soll, nicht gewährleistet wird.«

Sollte Scheringer-Wright bei ihrer Haltung bleiben, droht dem rot-rot-grünen Regierungsbündnis eine empfindliche politische Niederlage: Die Koalition verfügt nur über eine Stimme Mehrheit im Landtag. Sie könnte damit bei Scheringer-Wrights Ablehnung oder Enthaltung ihr 17.-Juni-Vorhaben nicht aus eigener Kraft umsetzen.

Dennoch führt am 17. Juni als Gedenktag für die Opfer von SED-Unrechts kaum mehr ein Weg vorbei. Denn auch die Thüringer CDU begrüßt den rot-rot-grünen Gesetzesvorschlag. Dieser Tag habe für alle, denen in der DDR Unrecht widerfahren sei, »eine besondere Bedeutung«, sagte der CDU-Abgeordnete Raymond Walk.

Die SPD-Abgeordnete Birgit Pelke und die Grüne-Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich gingen sogar weiter. Die Aufständischen vom 17. Juni seien die Vorläufer der Demonstranten vom November 1989 gewesen, sagte Pelke. Für Rothe-Beinlich hatte der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 große Auswirkungen in der gesamten DDR. Er sei auf keinen Fall, wie oft angenommen wird, nur ein lokales Ereignis in Berlin gewesen. Sie sieht im 17. Juni eine gute Gelegenheit zur Selbstreflektion. Kritisch auseinandersetzen sollte sich jeder einzelne mit seiner eigenen Rolle in der DDR – und sei es nur als Rädchen im Getriebe

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