Mit doppeltem Boden
Kurt Stenger über die Flüchtlingspolitik der Unternehmerverbände
»Handwerk hat goldenen Boden«, sagt der Volksmund. Wer einen richtigen Beruf erlernt, hat für sein Leben lang ausgesorgt, so die Weisheit aus früheren Zeiten. Auch den vielen jungen Flüchtlingen, die bleiben dürfen und wollen, soll dieser Weg gewiesen werden. Darin sind sich die Kanzlerin und die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft im Grunde ebenso einig wie in der Ablehnung von Obergrenzen und Grenzkontrollen, wie am Freitag bei ihrem Treffen auf der Münchner Handwerksmesse deutlich wurde.
Eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt ist wichtig, um Flüchtlingen eine soziale Perspektive zu bieten und die Bildung einer neuen Armutsschicht zu verhindern. Der Konjunktur, den Steuereinnahmen und Renten tut dies auch gut. Aber bei den Unternehmensverbänden verbirgt sich hinter fortschrittlicher Offenheit zudem betriebswirtschaftliches Kalkül: Man möchte Stellen in unattraktiven Jobs mit leicht zu feuernden Niedriglöhnern besetzen. Verlängerte Erprobungsphasen und Praktika für Flüchtlinge hat die Kanzlerin bereits zugesichert. Nur bei der Aussetzung des Mindestlohns und bei staatlichen Subventionen ziert sie sich noch.
Es ist natürlich gut, dass die Industrie eine mächtige Kraft gegen Pegida und Konsorten darstellt. Man sollte aber nicht ausblenden: Handwerk hat neben goldenem auch doppelten Boden.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.