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Spielwiese der Traditionalisten

Die Mehrkampf-WM der Eisschnellläufer gastiert in Berlin, auch wenn sie kaum noch jemand sehen will

In Berlin werden am Wochenende die schnellsten Allrounder auf dem Eis gesucht. Besonders beliebt ist die WM schon lange nicht mehr.

Es gibt nicht viele Weltmeisterschaften, deren Ursprung bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. An diesem Wochenende gastiert so eine in Berlin: die Mehrkampf-WM der Eisschnellläufer. Erstmals wurde die Suche nach dem schnellsten Allrounder auf dem Eis bereits im Jahr 1893 ausgetragen, 1899 fand sie sogar schon in Berlin statt - ein Wettkampf mit viel Tradition also. Doch eben wie eine Spielwiese der Traditionalisten wirkt er auch. Angestaubt und irgendwie aus dem Rahmen der Zeit gefallen.

Zwei Tage lang werden sich Sprinter, Mittelstreckler und Ausdauerläufer messen, um denjenigen zu finden, der alles am besten kombiniert. Vier Rennen an zwei Tagen, erst am Ende steht ein Sieger fest, und dabei muss auch noch eine Menge gerechnet werden. Wo sonst gibt es heute noch Wettkämpfe, bei dem ein Läufer im letzten Wettbewerb zehn Sekunden nach seinem Gegner die Ziellinie überquert und dann doch jubeln kann, weil er in den anderen Rennen zuvor genügend Vorsprung herausgelaufen war. Besonders attraktiv für Zuschauer und das Fernsehen ist das nicht, weshalb auch überlegt wird, ob die abschließenden elend langen 10 000 Meter bei den Männern bald abgeschafft werden oder die Titelträger ganz nebenbei bei den ebenfalls jährlich stattfindenden Einzelstrecken-Weltmeisterschaften ermittelt werden.

Besonders beliebt ist der Mehrkampf auch bei den Athleten nicht. Wen man auch fragte unter den deutschen Startern: Der Saisonhöhepunkt liegt längst hinter ihnen. Da diese WM aber nun mal im eigenen Land ausgetragen wird, nimmt man sie noch mit. Die Berlinerin Claudia Pechstein und Patrick Beckert aus Erfurt kehrten vor wenigen Wochen mit vierten Plätzen von den Einzelstrecken-Titelkämpfen in Kolomna heim. Auf die WM in Russland hatten sie ihren Formaufbau ausgerichtet, dort wollten sie Medaillen einfahren. In Berlin hingegen trauen sie sich gerade mal einen Endkampfplatz zu. »Wenn alles normal läuft, haben sie gute Chancen aufs Finale«, sagte Bundestrainer Helge Jasch am Donnerstag. Die jeweils acht besten Athleten qualifizieren sich für den entscheidenden Lauf über 10 000 m (Männer) und 5000 m (Frauen).

Die Deutschen haben vor allem beim 500-m-Sprint zum Auftakt am Samstag große Defizite und werden das Feld von hinten aufrollen müssen. Ein bisschen hofft die deutsche Teamführung trotzdem auf eine Überraschung durch die 44-Jährige. »Claudia hat in dieser Saison wieder bewiesen, zu was sie fähig ist. Ich traue ihr eine Medaille zu«, sagte Sportdirektor Robert Bartko. Damit die Mehrkampf-Weltmeisterin des Jahres 2000 und achtmalige Zweite wirklich nach zehn Jahren Pause wieder eine Medaille holt, müssten andere jedoch mitspielen. An die Favoritinnen Martina Sablikova aus Tschechien und Ireen Wüst aus den Niederlanden dürfte Pechstein jedoch nicht herankommen.

Bei den Männern jagen alle mal wieder Sven Kramer. Der Niederländer hat bei sieben der vergangenen neun Weltmeisterschaften Gold geholt, bei den anderen beiden fehlte er verletzt.

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