Erdogans Krieg gegen kritische Akademiker

Professoren und Lehrer wegen Unterzeichnung von Petition gegen Militäreinsatz in Kurdengebieten verhaftet

  • Lesedauer: 2 Min.
Am Dienstag kündigte der türkische Präsident noch an, verstärkt auch Kritiker strafrechtlich zu verfolgen. Schon am Mittwoch macht er ernst und lässt Akademiker verhaften, die sich für den Frieden einsetzten.

Istanbul. In der Türkei sind Medienberichten zufolge erneut drei Akademiker wegen »terroristischer Propaganda« festgenommen worden. Ein Istanbuler Gericht habe die Festnahme der Universitätsprofessoren Esra Munger und Muzaffer Kaya sowie die der Lehrkraft Kivanc Ersoy wegen der Unterzeichnung der Petition »Akademiker für Frieden« gegen Armee-Gewalt in den Kurdengebieten angeordnet, meldete die Nachrichtenagentur Dogan am Dienstag. Bei einer Verurteilung wegen »terroristischer Propaganda« drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Dass das Gericht Untersuchungshaft angeordnet hat, verdeutlicht die Ernsthaftigkeit der Lage. In seiner Erklärung, betont das Gericht die Auffassung dass die Petition durch ihre Kritik der Methoden des Staates in der Bekämpfung des Terrorismus selbst den Terrorismus unterstütze. Es bezieht sich auf keinerlei anderen Beweise außer dem Text der Petition. Beobachter der Situatuation gehen daher davon aus, dass es zu weiteren Verhaftungen kommen wird.

Zudem sei eine britische Lehrkraft von der Polizei befragt worden, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu. Die Lhehrkraft soll auf dem Weg zum Gericht, um den inhaftierten Kollegen beizustehen, verhaftet worden sein. Als Grund für sein Festhalten gab die Polizei an, bei der standardmäßig durchgeführten Durchsuchung am Eingang zum Gericht, in seiner Tasche eine Einladung der kurdisch-linken Partei HDP gefunden zu haben.

Erdogan hatte nach dem Anschlag in Ankara am Sonntag angekündigt seinen Terrorbegriff auszuweiten und auch Kritiker seiner Politik zu verfolgen. Um Terrorist zu sein, müsse man keine Bombe zünden, sagt er. Auch Abgeordnete, Journalisten oder Akademiker könnten Terroristen sein.

Im Januar hatten insgesamt rund 1200 Wissenschaftler die Petition unterzeichnet, in der ein Ende des türkischen Militäreinsatzes in den Kurdengebieten gefordert wurde. Laut Angaben einer Lehrergewerkschaft aus der vergangenen Woche wurden deshalb bislang 153 Verfahren gegen Unterzeichner eingeleitet, neun Lehrer seien entlassen worden, weitere 27 suspendiert.

In der Petition wird die Staatsführung aufgefordert, »ihre vorsätzlichen Massaker und Deportationen kurdischer und anderer Menschen in der Region« zu beenden. Das harte Vorgehen gegen die Unterzeichner der Petition stieß bei der Opposition ebenso wie bei der EU und den USA auf scharfe Kritik.

Ankara hatte Ende vergangenen Jahres im Südosten der Türkei eine Großoffensive gegen Unterstützer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gestartet. Besonders in den Städten Cizre, Silopi und Diyarbakir gab es heftige Straßenkämpfe mit vielen zivilen Opfern. Beobachter der Situation sprechen von einem Krieg im Osten der Türkei. AFP/nd

Krieg in der Türkei - Ein Gespräch mit Ismail Küpeli
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