Linker Hoffnungsschimmer im Südwesten?

Nach den Niederlagen bei den Landtagswahlen arbeitet die LINKE in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Resultate auf

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit dem schwachen Abschneiden der Linkspartei bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bleibt die »Südschiene« von Mainz über Stuttgart nach München mit fast einem Drittel aller Bundesbürger eine riesige Fläche ohne Linksfraktion in einem Landesparlament und damit ohne eine sichtbare linke Präsenz in der Landespolitik. Der Parteiaufbau und die Verankerung in Stadt und Land gestalten sich weiterhin mühselig.

In beiden Ländern stagnierte der Wählerzuspruch in den Landtagswahlen seit 2006 bei Werten zwischen 2,6 und drei Prozent. Die Freude über leichte absolute Zuwächse gegenüber 2011 wird getrübt durch die Tatsache, dass die überall angestiegene Wahlbeteiligung in erster Linie der Rechtspartei AfD zugute kam.

Insgesamt konzentrieren sich viele linke Wahlkämpfer und Parteiaktivisten nach der kalten Dusche vom Sonntagabend nach eigenen Angaben erst einmal darauf, die Ergebnisse zu »verdauen« und »tief Luft zu holen«. In Rheinland-Pfalz meldete sich allerdings der Vorsitzende des Kreisverbands Koblenz, Christian E. Hirkes, gleich am Tag nach der Wahl mit der Forderung nach Rücktritt des Landesvorstands zu Wort. Nur so könne sich »die Partei neu aufstellen«. Es sei »schäbig, armselig und nachweisbar falsch«, wenn führende Köpfe im Landesvorstand behaupteten, dass »dieses miserable Wahlergebnisse einzig und alleine einem Malu Dreyer-Ministerpräsidentin-Effekt« geschuldet sei, so Hirkes. Wie stark das Echo auf diese Forderung ist, muss sich zeigen.

In beiden Ländern werden Spitzengremien am Wochenende die Ergebnisse auswerten. Alarmierend für die LINKE dürfte sein, dass die AfD im Rhein-Neckar-Raum um Mannheim und Ludwigshafen besonders stark absahnte und im Wahlkreis Mannheim 1 mit 22,9 Prozent das Direktmandat für den Stuttgarter Landtag holte. In fünf Ludwigshafener Stadtteilen überrundeten die Rechtspopulisten aus dem Stand die CDU, die in der vom Chemiekonzern BASF geprägten pfälzischen Stadt die Oberbürgermeisterin stellt. In beiden Städten gingen hohe AfD-Werte in ärmeren Stadtteilen einher mit einer stark unterdurchschnittlichen Wahlbeteiligung. Überaus hohe AfD-Werte gab es auch in den schwäbischen Autostädten Neckarsulm und Sindelfingen.

Hoffnungsschimmer in Mainz, Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Stuttgart

Im Rhein-Neckar-Raum werden Existenzängste durch Hiobsbotschaften über Massenentlassungen und massiven Arbeitsplatzabbau in Industrie- und Handelsbetrieben genährt. Ein überbetriebliches gewerkschaftliches Solidaritätskomitee versucht jetzt, die Abwehrkämpfe zu vernetzen. Offensichtlich ist die LINKE in diesen Arbeitermilieus nach wie vor schwach verankert, bei den industriellen Kernbelegschaften ebenso wie beim wachsenden Heer prekär Beschäftigter. Im Rhein-Neckar-Raum wird die Koordination von Parteiaktivitäten zudem durch die Landesgrenzen behindert, die mitten durch diese Region verlaufen. »Die Kooperation ist ausbaufähig«, sagt Hermann Stauffer von der LINKEN in Rheinland-Pfalz und regt für seine Partei die Bildung landesübergreifender Regionalräte an.

Bei aller Ernüchterung freuen sich Parteiaktivisten im Südwesten über einen bescheidenen Mitgliederzuwachs im Wahlkampf und ein hier und da vernehmbares trotziges »Jetzt erst recht«. So habe sich der Wahlkampf in Mainz »allein aufgrund der Neueintritte gelohnt«, so Direktkandidat Tupac Orellana. Im Wahlkreis Mainz 1 holte die LINKE fünf Prozent der Zweitstimmen. Die Landespartei meldet 75 Neueintritte seit Jahresbeginn. Allein in der Wahlnacht hätten zehn Menschen ihren Beitritt erklärt, so Orellana. Auch in Baden-Württemberg ist von einem Neumitgliederzustrom die Rede, der sich schon bei gut besuchten Kundgebungen mit politischen Spitzenpersonal abgezeichnet hatte.

Viele sind dem Vernehmen nach unter 35. Der damit einher gehende kleine Hoffnungsschimmer macht sich auch daran fest, dass im Südwesten der Anteil der 18- bis 34jährigen Linkswähler überdurchschnittlich ist. Die Partei könnte so ein kleiner Anlaufpunkt für radikalisierte Jugendliche werden, wenn sie diese Neumitglieder schult und ihnen Raum für die Entfaltung und Aktivitäten bietet. Vor allem Menschen unter 25 Jahren sind unbelastet von der Vergangenheit und kennen Begriffe wie Agenda 2010, WASG, PDS und DDR allenfalls aus den Erzählungen der Älteren.

Ein wenig Honig saugt die LINKE im Südwesten auch aus Werten über fünf Prozent in Städten wie Freiburg, Heidelberg, Tübingen oder Stuttgart, wo sie anders als in der Fläche eine stabile kommunale Verankerung aufgebaut hat. So erhöhte die Partei im Wahlkreis Stuttgart 1 mit ihrem Kandidaten Hannes Rockenbauch ihren Anteil von 3,4 auf 7,3 Prozent und überrundete damit entgegen dem Landestrend sogar die AfD, die hier auf lediglich sieben Prozent kam. Rockenbauch ist bekannter Gegner des Bahn- und Immobilienprojekts Stuttgart 21 und hatte sich in einem Wahlkampffilmchen in Anlehnung an den US-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders für eine »Politische Revolution« ausgesprochen.

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