Zeichner der vergangenen Gegenwart

Klaus Vonderwerth tot

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 2 Min.
Den Zeichner Klaus Vonderwerth zeichnete eine besondere Gabe aus: einem großen Publikum gegenwärtig zu sein und dabei die eigenen hochgesteckten Ziele im Auge zu behalten. Jetzt ist er im Alter von 80 Jahren verstorben.

Nun ist er jenseits vom Erlebbaren angekommen: Einer, der zeichnerisch im Diesseits einer Gegenwart seinen Weg gefunden hat, die in erschreckendem Maß vergeht. Am 19. März ist er dem Krebs erlegen, der ihm bereits am 7. Februar das Feiern des 80. Geburtstages vergällt hatte. Im Sommer wollte das Satiricum Greiz ihm eine Personalausstellung ausrichten - er hatte sie schweren Herzens absagen müssen. Der Absolvent der Meisterschule für das grafische Gewerbe Berlin Klaus Vonderwerth war in den 1970er Jahren einer der Geburtshelfer dieser neuprofilierten Sammlung satirischer Zeichenkunst gewesen. Und er verkörperte in jener nun vergangenen Gegenwart auf nunmehr selten gewordene Weise kritische Publizistik und grafische Kunst in Personalunion.

Einem großen Publikum immer gegenwärtig zu sein, und dabei hochgesteckte künstlerische Ziele im Auge zu haben, das zeichnete ihn im Verein mit Gleichgesinnten aus: Ob es sich nun um Cover für Märchenschallplatten von »Amiga« oder Filmplakate für »Progress« oder Pausengrafik für den »DFF« handelte - unterhaltsam, geistreich und kultiviert kam das daher. Über die Grenzen zwischen Gebrauchsgrafik und Pressezeichnung hinweg entstand das, was wir »Cartoon« nannten. Die frei improvisierte, möglichst wortlose, aber witzgeladene Bildidee - dieses damals durchaus wagehalsige Experiment verband uns. Wir begannen, gemeinsam Ausstellungen fürs In- und Ausland zu konzipieren. Warum nicht den Bonus als beliebter Witzbold für politische Frechheiten nutzen? In der Folge machten wir 1982 zusammen den anspruchsvollen Auswahlband »Spitzen«.

Darin gruppierten sich neben den gestandenen »Eulenspiegel«-Zeichnern wie Büttner und Bofinger, Behling und Henniger, Rauwolf und Schrader um uns zwei Herausgeber bereits die jungen Newcomer Bauer und Forchner, Mueller und Schade. Ja auch Cleo Petra Kurze war auf der fraulichen Flanke bereits dabei: Damals Lebensgefährtin von Klaus Vonderwerth geworden, lebt sie zeichnerisch bis heute das in fröhlicher Farbigkeit aus, was er eigentlich am klassischsten im grafischen Schwarzweiß geleistet hat. Geradezu paradigmatisch für die Jahre 1990/91 mutet heute das an, was er in dieser heißen Umbruchzeit jeweils auf einer Halbseite der Illustrierten NBI zu Papier gebracht hat. Bitterböse kommentierte der über Nacht zum politischen Karikaturisten Gewordene das mit dem Gebilde DDR Woche für Woche Geschehende - bis zum bitteren Ende sowohl der DDR wie der NBI.

Schade drum, dass außer ein viel zu kleines Heftchen der Landeszentrale für politische Bildung Potsdam von 2004 keine Publikation diesen zeichnerisch komprimierten bissigen Geschichtskommentar der staunenden Nachwelt überliefert.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal