Biete: Arbeit plus Zuhause

Immer mehr Unternehmen bauen wieder Werkswohnungen für ihre Angestellten

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Vielerorts steigen die Mieten, manche Städte werden auch deshalb immer unattraktiver für Arbeitssuchende. Abhilfe schaffen könnten von den Betrieben bereitgestellte Wohnungen.

Angesichts der dramatischen Wohnungsknappheit in vielen deutschen Großstädten und Ballungsräumen wollen Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft, die IG BAU und der Deutsche Mieterbund (DMB) ein weitgehend in Vergessenheit geratenes Instrument wiederbeleben: den Werkswohnungsbau. Im Auftrag der Verbände hat das Berliner Forschungsinstitut RegioKontext eine Studie zu dem Komplex erarbeitet, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Der Werkswohnungsbau hat in Deutschland eine lange Tradition. Im Zuge der Industrialisierung am Ende des 19 Jahrhunderts stampften große Unternehmen Siedlungen bis hin zu ganzen Stadtteilen aus dem Boden, um die Arbeiter standortnah unterzubringen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die Entwicklung zunächst fort, Ende der 1970er Jahre gab es fast 500.000 Werkswohnungen in Deutschland, auch bei staatseigenen Betrieben wie der Post und der Bundesbahn. Doch im Zuge der angestrebten Konzentration auf das Kerngeschäft und der zeitweiligen Entspannung vieler regionaler Wohnungsmärkte trennten sich die meisten Konzerne von ihren Beständen und verkauften die Wohnungen an große, renditeorientierte Immobilienunternehmen. Über die verbliebenen Bestände gibt es keine Zahlen, aber die Forscher gehen davon aus, dass es nur noch Bruchteile sind. Spektakulärster Fall war der im Jahr 2000 abgeschlossene Verkauf von 114.000 Eisenbahnerwohnungen an Immobilien- und Finanzinvestoren.

»Diese Wohnungen fehlen uns heute«, so Studienleiter Arnt von Bodelschwingh. Die historischen Erfahrungen und die Untersuchung aktueller Beispiele zeigten, »dass Mitarbeiterwohnungen einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit preiswertem Wohnraum leisten können«. Die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums sei »angesichts des Mangels für viele Unternehmen längst zu einer wichtigen Standortfrage geworden«.

Vorgestellt wurden am Montag auch Beispiele: So planen die Stadtwerke München, ihren Bestand an Mitarbeiterwohnungen bis zum Jahr 2021 auf 1100 zu verdoppeln. Auch kleinere Betriebe wie die Demeter- Bäckerei »Märkisches Landbrot« in Berlin-Neukölln sind aktiv geworden, um Mitarbeitern standortnahe, preisgünstige Wohnungen anbieten zu können. Das Unternehmen hat ein Haus erworben und vermietet die sanierten Wohnungen für 6 bis 6,50 Euro pro Quadratmeter, während die üblichen Neuvermietungspreise in der Gegend mittlerweile bei zehn Euro und mehr liegen. »Wenn man gemeinwohlorientiert arbeitet, gehört das einfach dazu«, so Geschäftsführer und Inhaber Joachim Weckmann. Eigene Neubauprojekte könne sein Betrieb aber nicht realisieren. Das betrifft viele Firmen, daher gibt es einen weiteren Weg: Den Erwerb von Belegungsrechten für Mitarbeiter in Neubauten anderer Bauherren.

Die Verbände fordern von der Bundesregierung, aber auch von den Ländern und Kommunen verstärktes Engagement für den Mitarbeiterwohnungsbau. Das betrifft sowohl steuerliche Entlastungen durch Sonderabschreibungen für die Bauherren, als auch baurechtliche Lockerungen etwa für die Nutzung firmeneigener Gewerbeflächen zu Neubauzwecken. Ferner könnten Werkswohnungen auch in die aktuellen Förderprogramme für preisgebundenen Wohnungsbau einbezogen werden.

Für DMB-Präsident Lukas Siebenkotten ist die Initiative »kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums«. Zu klären seien allerdings auch mietrechtliche Belange, vor allem die Regularien bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wohnungsgeber. Vom Gesetzgeber erwartet Siebenkotten zudem, dass Nutzer von Mitarbeiterwohnungen, deren Mieten unterhalb des örtlichen Mietspiegelwertes liegen, dies künftig nicht mehr als »geldwerten Vorteil« versteuern müssen.

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