Sonderrechte für Majestäten bleiben

Union sperrt sich im Bundestag gegen schnelle Abschaffung eines umstrittenen Paragrafen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung ist im Parlament wegen ihres Umgangs mit dem türkischen Präsidenten Erdogan heftig kritisiert worden. Der konservative Politiker gilt in der Flüchtlingspolitik als wichtiger Partner.

Die Union will im Umgang mit dem Paragrafen, der die Beleidigung von ausländischen Staatsvertretern bestraft, nichts überstürzen. Trotz Kritik aus allen anderen Fraktionen ließen sich die Konservativen bei einer Bundestagsdebatte am Donnerstag nicht überzeugen. Politiker der Union sprachen sich gegen »Schnellschüsse« aus. CSU-Mann Volker Ullrich meinte, dass man sich bei der Entscheidung Zeit nehmen müsse. Denn der entsprechende Paragraf 103 schütze nicht nur Vertreter anderer Staaten, sondern auch die auswärtigen Beziehungen Deutschlands.

Hintergrund der Debatte ist ein Gedicht des deutschen Satirikers Jan Böhmermann, in dem er den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan unter anderem mit Sodomie in Verbindung gebracht hatte. Daraufhin beantragte Erdogan die Strafverfolgung Böhmermanns, die von Kanzlerin Angela Merkel gebilligt wurde. Den »Majestätsbeleidigungsparagrafen« will die CDU-Politikerin im Jahr 2018 abschaffen.

Dagegen hatten nun LINKE und Grüne Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, nach denen der Paragraf sofort gestrichen werden soll. Auch in der SPD gibt es hierfür Sympathien. Der Grüne Hans-Christian Ströbele warf Erdogan vor, ein gestörtes Verhältnis zu Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit zu haben.

Nach Ansicht der Linksfraktion sollten auch Paragrafen gestrichen werden, die sich gegen die Verunglimpfung des Bundespräsidenten und üble Nachrede gegen Personen des politischen Lebens richten. Der Abgeordnete Harald Petzold argumentierte, dass zwischen Politikern und Wählern kein Unterschied gemacht werden sollte. Für sie seien die allgemeinen Beleidigungsparagrafen des Strafgesetzbuches ausreichend.

Oppositionspolitiker wiesen zudem darauf hin, dass Merkels Unterstützung für Erdogan in der Affäre auch im Zusammenhang mit der europäischen Flüchtlingspolitik gesehen werden müsse. Die Türkei nimmt nach einem Abkommen mit der EU »illegal« nach Griechenland gekommene Asylbewerber zurück. Dafür können im Gegenzug einige syrische Flüchtlinge legal in die EU einreisen. Zuletzt berichteten Menschenrechtsorganisationen, dass syrische Flüchtlinge an der türkischen Grenze abgewiesen oder sogar beschossen worden seien. Linksfraktionsvize Jan Korte sprach von einem »dreckigen Deal«, der beendet werden müsse.

Zuvor hatten Politiker der Koalitionsfraktionen versprochen, sich für die Bekämpfung von Fluchtursachen einzusetzen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte die internationale Gemeinschaft auf, die im Februar zugesagten Hilfen für Opfer des Kriegs in Syrien schnell zu zahlen. Anfang des Jahres hatte eine Geberkonferenz in London mehr als neun Milliarden Euro versprochen.

Fluchtbewegungen will die Bundesregierung irrigerweise aber auch durch Militäreinsätze eindämmen, die Krisenländer stabilisieren sollen. So ziehen durch den Norden Malis zahlreiche Schutzsuchende aus Afrika in Richtung Europa. Am Abend wollte der Bundestag mehrheitlich für eine Verlängerung des Engagements der Bundeswehr im Rahmen der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Mali stimmen. Weil neue Einsatzorte im Norden des Landes hinzukommen, wird die Mission gefährlicher. Denn in diesen Regionen sind islamistische Terroristen aktiv.

Weniger bedrohlich ist der Bundeswehreinsatz vor Somalias Küste. Die Piraten haben sich dort zunehmend zurückgezogen. Trotzdem wurde erwartet, dass das Parlament dafür stimmt, dass sich das deutsche Militär ein weiteres Jahr an der entsprechenden EU-Mission Atalanta beteiligt. Kommentar Seite 4

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.