Chrysograsbrillantfeuergrün

Die Alte Nationalgalerie entdeckt das Universalgenie August Kopisch wieder

  • Martina Jammers
  • Lesedauer: 4 Min.

Von Martina Jammers

Vielen ist August Kopisch nur bekannt als Dichter der Kölner «Heinzelmännchen». Die derzeit in der alten Nationalgalerie zu sehende Ausstellung präsentiert ihn aber vor allem als Entdecker der Blauen Grotte auf Capri, als Schöpfer farbintensiver Gemälde, als Dichter sowie als Erfinder von patentierten Objekten wie seinem «Schnellofen».

«Es muss schon eine ungeheure, auch magische und weitsichtige Strahlkraft von einem Bild wie den ›Pontinischen Sümpfen bei Sonnenuntergang‹ ausgehen, wenn es anlässlich der atomaren Katastrophe in Fukushima im 21. Jahrhundert auf der Titelseite einer großen deutschen Tageszeitung abgebildet wird», meinte Museumsdirektor Udo Kittelmann während der Ausstellungseröffnung über das Multitalent August Kopisch. Der Maler hat das Bild gleich zweimal gemalt - einmal 1839 für seinen königlichen Förderer Friedrich Wilhelm III. und die zweite Version im Revolutionsjahr 1848 für den Berliner Sammler und Begründer der Nationalgalerie Joachim Heinrich Wagener.

Kopischs Gemälde «Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang» hat polarisiert. So urteilte der Kritiker, Dichter und Arzt Julius Leopold Klein: «Ganz vortrefflich gemalt, aber ein unerfreulicher Anblick.» Die in Glutrot schwelgende Komposition war 1839 auf der Berliner Akademieausstellung zu sehen. Klein publizierte im selben Jahr seinen «Bericht» über die dort präsentierten Werke. Kopischs Gemälde rief in ihm zwiespältige Gefühle hervor: Die Sonne ein aufgebrochenes Geschwür, rundum der Himmel entzündet, die Röthe von der suppurierenden Grünlichkeit scharf getrennt; an den Felsrändern ein purpurtrüber Niederfluss. Die hepatitischgelbliche Sumpflandschaft wie ausgebreitete Wundlappen.« Die Geißelung des Mediziners als »pathologisch« gemahnt an den damaligen Dissens zwischen Klassizisten und Romantikern.

Indes wollte der Romantiker Kopisch genau dies: Stimmungen evozieren und Emotionen wecken. Zudem wollte er beeindrucken: Seine subjektiv ausgedeuteten Landschaften widmete er deshalb jenen als besonders faszinierend empfundenen Naturerscheinungen wie Sonnenuntergängen, Mondschein und Vulkanausbrüchen. Fast schon Pollocks Action Paintings antizipierend wirkt sein »Krater des Vesuvs mit dem Ausbruch von 1828«. Ungemein farbintensiv stellt er das Naturereignis in seiner Gouache dar: Aus dem Inneren des Vulkans brechen grellgelbe Feuerkaskaden hervor, rot und violett leuchtende Glutwolken steigen auf. Glühender Ascheregen geht nieder.

August Kopisch gilt als Multitalent. Schließlich war er nicht nur Maler, sondern überdies Dichter und glänzender Übersetzer des großen Dante sowie verschiedener kleiner neapolitanischer Komödien. Daneben Sammler und Publizist italienischer Volkslieder, Librettist einer Oper, Puppenspieler sowie gefragter Regisseur diverser Schaustellungen bei höfischen und bürgerlichen Festen. Anerkennung erhielt Kopisch durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. In mehreren Gedichten huldigt der Maler 1840 dem frisch auf den Thron gestiegenen Königspaar. Im gleichen Jahr beruft der König Kopisch als Kunstbeirat in das Hofmarschallamt. Auch als Erfinder bewährte sich das Multitalent: So ließ er sich im März 1834 seinen »Reise-Schnellofen« mit Spiritusheizung patentieren - ein mobiler Ofen, der kleine und mittelgroße Räume beheizen sollte. Bekannt ist der 1799 in Breslau geborene Kopisch wohl vor allem als Schöpfer der »Heinzelmännchen« zu Köln, die erstmals und ohne Illustrationen 1836 in seinem Band »Gedichte« erschienen sind.

Hervorgetreten ist Kopisch als »Entdecker« der Blauen Grotte auf Capri. Schon kurz nach seiner Ankunft in Neapel unternimmt er im Sommer 1826 zusammen mit dem zwei Jahre jüngeren Heidelberger Maler Ernst Fries einen folgenreichen Ausflug, nämlich nach Capri. Es hieß, dass der Teufel in der Höhle umgehe. Schließlich schwimmen er und Fries am 17. August 1826 in die »Teufelshöhle« und entdecken die »Blaue Grotte«. Selbstredend war die Höhle längst bekannt. Gleichwohl muss Kopisch als ihr Entdecker gelten, hat doch erst seine Beschreibung »Die Entdeckung der blauen Grotte auf der Insel Capri« von 1838 das Naturwunder überall bekannt gemacht und den touristischen Boom der Insel ventiliert. Beim Erschwimmen der Grotte suchten Kopisch und sein Malerfreund Fries spontan das Ereignis des »blauen Feuers« mit ihren mitgebrachten Malutensilien auf Papier festzuhalten: Die magischen Farben wurden vom Maler so gut wie möglich benannt und beschrieben, wodurch Worte entstanden wie »Mutterflammenlichtblau« und »Mutterflammendunkelblau«, »Chry᠆sograsbrillantfeuergrün« - »Farben, nach denen man in jeder Kunsthandlung vergeblich fragen würde, die wir aber doch beide später in Gemälden darzustellen versucht haben.«

Im Jahre 1843 war sein Porträt der Blauen Grotte in der Berliner Akademie-Ausstellung zu sehen und wurde vom König erworben. Im Jahre 1853 erleidet Kopisch während eines Berlin-Aufenthalts einen Schlaganfall und verstirbt am 6. Februar. Er wird auf dem Kreuzberger Dreifaltigkeitsfriedhof beigesetzt.

»August Kopisch - Maler, Dichter, Entdecker, Erfinder«, Alte Nationalgalerie, Bodestraße 1-3, Mitte, bis 17. Juli. Der Katalog kostet 39 €.

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