Kolumbiens Bauern in Aufruhr

Mit Straßenblockaden setzen Demonstranten Zeichen gegen Ausverkauf an das Agrobusiness

  • David Graaff, Medellin
  • Lesedauer: 3 Min.
In Kolumbien halten die Bauernproteste gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung an. Eine Verhandlungslösung ist bislang nicht in Sicht und die Unterstützung wächst.

Auch in Kolumbien kommen soziale Proteste nicht mehr ohne begleitende Internet-Memes aus. Ein in den sozialen Medien dieser Tage oft geteilte Karikatur zeigt eine Bauersfrau, die Kürbisse bemalt, damit sie wie Fußbälle aussehen. Auf die Frage, was sie denn da mache, antwortet sie: »Na mal sehen, ob sich die Leute dann für uns interessieren.«

Die Zeichnung ist eine Verballhornung der aktuellen Aufmerksamkeitslage im Land. Während seit Anfang vergangener Woche mehrere Zehntausend Menschen, darunter vor allem Landarbeiter aus allen Landesteilen mit einem landesweiten Generalstreik gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos diskutieren, zählt für viele Kolumbianer und die Medien hauptsächlich die Copa América, das amerikanische Pendant zur Fußball-EM. Bei den seit einer Woche andauernden Protesten besetzen Demonstranten in verschiedenen Landesteilen Gebäude und blockierten wichtige Überlandstraßen und Häfen, darunter die Panamericana zwischen den Städten Cali und Popayan sowie einen internationalen Pazifikhafen.

Bislang reagierten die Behörden vor allem mit Repression und schickten die für ihren Gewalteinsatz berüchtigte Sondereinheit ESMAD und das Militär, um die Straßenblockaden aufzulösen. Dabei sind bislang nach Angaben der »Cumbre Agraria«, dem Zusammenschluss verschiedener Organisationen, die zu dem unbefristeten Streik aufgerufen haben, 170 Personen verhaftet, mehr als 200 verletzt und drei Menschen getötet worden. Am Dienstag schlossen sich nun auch rund 30 000 Fernfahrer dem Ausstand an, was den kapitalistischen Normalbetrieb weiter erheblich stören und zu erneuten Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften führen könnte.

Die Demonstranten haben die Wahrung ihrer Menschenrechte auf Protest und soziale Mobilisierung zur Vorbedingung für die Aufnahme von konkreten Verhandlungen mit der Regierung gemacht. Eine Forderung, die sie bislang nicht erfüllt sehen. Eine kurzzeitig erzielte Einigung wurde nach nur 24 Stunden wieder aufgekündigt. Zudem beabsichtige die Regierung, die Streikenden zu spalten. Statt einen nationalen Verhandlungstisch einzurichten, versuche sie, mit Einzelorganisationen zu verhandeln. Die Forderungen der Protestierenden sind hoch. Denn es geht nicht nur lokal und regional um konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensumstände, um Investitionen in Infrastruktur und kleinbäuerlichen Landbesitz, sondern um Grundsätzliches.

»So wie sich die Regierung mit Unternehmern zusammensetzt, um die Grundzüge der Wirtschaftspolitik des Landes abzusprechen, weil sie wirtschaftliche Macht haben, so zeigen wir als soziale Bewegungen unsere Macht mittels der Mobilisierung. Wir machen klar, dass wir ein Hauptakteur sind, der bei der Gestaltung der Zukunft unseres Landes mitreden wird«, sagt Daniel Pardo, Sprecher der Sammelbewegung »Congreso de los Pueblos«, die die Proteste mitträgt, im Gespräch mit dem »nd«. Diese Debatte umfasse auch das politische System und das Wirtschaftsmodell, das auf Agrarbusiness und die Ausbeutung von Bodenschätzen setzt.

In der Tat hat die anhaltende Ausbeutung von Erdöl, Kohle, Gold oder seltenen Erden teils katastrophale Folgen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung. Zudem hat die Regierung mit einem umstrittenen Gesetz zur Förderung der ländlichen Entwicklung dem Agrarbusiness in Kolumbien Tür und Tor geöffnet. Und dies trotz eines unmittelbar bevorstehenden Friedensschlusses mit der FARC-Guerilla, der unter anderem eine Reform der Agrarpolitik vorsieht, mittels derer die kleinbäuerliche Produktion gestärkt und vor Großkapital geschützt werden soll.

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