Viel zu erschöpft

Trainer Sascha Lewandowski ist im Alter von 44 Jahren verstorben, drei Monate nachdem er wegen eines Burnouts bei Union Berlin zurücktrat

  • Andreas Morbach, Leverkusen
  • Lesedauer: 3 Min.
Sascha Lewandowski wurde tot in seiner Wohnung gefunden. Er wollte sich stets weiterentwickeln, doch sein Körper spielte nicht mehr mit.

Es war im Herbst 2013, als Sascha Lewandowski im schmucklosen Nachwuchszentrum von Bayer Leverkusen saß und eine wichtige Erkenntnis genoss. Seine erste Rettungsmission mit dem Bundesligateam der Rheinländer, die er nach der Entlassung von Robin Dutt mit dem international bekannten, aber trainerlizenzlosen Finnen Sami Hyypiä geschafft hatte, lag da bereits eineinhalb Jahre zurück. Und der zweite Einsatz als Helfer in der Not - dann für den beurlaubten Hyypiä - noch sechs Monate in der Zukunft. Zu diesem Zeitpunkt behagte Lewandowski die Rolle als Planer, Bastler und Stratege am Schreibtisch, erkannte er doch: »In diesem Job lerne ich, was ich vorher nicht hatte - Geduld.«

Diese Erfahrung helfe ihm, ein besserer Trainer zu werden, sagte der Mann, der zuvor mehr als 20 Jahre lang ununterbrochen irgendeine Mannschaft betreut hatte, meistens Jugendteams. Doch seinen großen Wunsch, als Fußballlehrer voranzukommen, sich zu entwickeln, wird Lewandowski nicht mehr weiterverfolgen können.

Am Donnerstag bestätigten Polizei und Staatsanwaltschaft, dass der gebürtige Dortmunder tags zuvor tot in seiner Bochumer Wohnung aufgefunden worden sei. Hinweise auf ein Fremdverschulden liegen nach Informationen der »WAZ« nicht vor. Lewandowski, dessen mentaler Gesundheitszustand sich laut »Tagesspiegel« in den vergangenen Monaten stark verschlechtert haben soll, wurde 44 Jahre alt.

Die Mitteilung löste Bestürzung aus - vor allem beim VfL Bochum und Bayer Leverkusen, wo er die meiste Zeit als Trainer zugebracht hatte. Aber auch bei Zweitligist Union Berlin, Lewandowskis zweiter und letzter Station im Profifußball. Nachdem er Bayer im Frühjahr 2014 gemeinsam mit Assistenztrainer Peter Hyballa zu 13 von 15 möglichen Punkten und auf den letzten Drücker in die Playoffs zur Champions League geführt hatte, kehrte Lewandowski an seinen ruhigen Arbeitsplatz im Nachwuchszentrum Kurtekotten zurück. Ehe er mit seiner Ankündigung, wieder Tag für Tag mit einer Mannschaft arbeiten zu wollen, ein Jahr später einige Bundesligaklubs aufhorchen ließ.

Frankfurt, Hannover und Schalke waren im Gespräch, ebenso Zweitligist Leipzig. Der anerkannte Fachmann, der mit einer Journalistin zusammenlebte und so leidenschaftlich über Fußball diskutieren konnte, entschied sich für die »Eisernen« aus der Hauptstadt - doch schon nach sechs Monaten musste er Anfang März 2016 auf Anraten der Ärzte den Job bei Union ruhen lassen. Der Verein teilte mit, Lewandowski leide unter einem »akuten Erschöpfungssyndrom«, bekannt auch als Burnout. Dieses verursache »funktionelle Herzbeschwerden«, hieß es damals weiter.

Seine innere Überzeugung, das richtige Händchen für Fußballer zu haben, weitete Lewandowski bei Gelegenheit auch mal auf sein näheres Umfeld aus. So erklärte er gegen Ende seiner ersten Saison mit den Bayer-Profis nach einem 5:0 gegen Hoffenheim im April 2013 locker: »Der Platzverweis für den gegnerischen Spieler Polanski hatte nicht den Rieseneinfluss auf das Spiel. Nicht nur wir, sondern viele andere hatten einfach das Gefühl, dass unsere Mannschaft ihren Weg gehen wird.«

Als Trainer der Werkself erwähnte er auch häufiger, dass ihm das Fußballgeschäft in diesen hohen Regionen etwas suspekt sei. Als die Leverkusener Doppellösung mit Sami Hyypiä und ihm im Frühjahr 2013 dem Ende entgegen ging, kommentierte er lakonisch: »Bis vor zwei Wochen waren alle voll des Lobes, wie toll das funktioniert. Doch in den letzten Tagen ist viel passiert.« Ihm fehlte der ultimative Rückhalt aus der Vereinsspitze, trotz laufenden Vertrags stieg er aus - und erklärte später rückblickend: »Es war nicht mehr nötig, das sehr angreifbare Konstrukt aufrechtzuerhalten.«

Der Weg eines Trainers sei intensiv, hat Sascha Lewandowski einmal gesagt. »Das darf man nicht unterschätzen.«

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