Technik gegen Technikdoping

Bei der Tour de France wird die Suche nach Elektromotoren in Fahrrädern intensiviert

  • Tom Mustroph, Limoges
  • Lesedauer: 4 Min.
Da dem Internationalen Radsportverband nur wenige ein konsequentes Vorgehen gegen Betrüger zutrauen, suchen nun schon Fernsehsender nach Hilfsmotoren.

Luc Geysen ist ein viel beschäftigter Mann. Vor jedem Start einer Touretappe nimmt sich der Kommissar des Radsportweltverbands UCI, der im normalen Leben Unternehmensberater ist, seinen Tablet-Computer und fährt ihn entlang an Rahmen und Tretlager der Velos, die noch auf den Begleitfahrzeugen montiert sind oder vor den Bussen aufgebockt sind. Etwa 100 Kontrollen macht Geysen vor dem Start, etwa 50 im Ziel. Jeden Tag die gleiche Prozedur, um verbotene Motoren in den Rädern aufzuspüren. »3000 Kontrollen sollen es bis zum Ende dieser Tour sein. Bei der letzten Tour waren es nur 20 oder 30. Wir wollen die Betrüger kriegen«, sagte UCI-Präsident Brian Cookson gegenüber »nd« in Saint Lo und machte dabei ein entschlossenes Gesicht.

Geysen ist der Mann, der im Alltag den Job macht. Gefunden habe er bisher nichts, sagt er. »Ich habe auch niemals geglaubt, etwas zu finden, bis es dann doch passierte«, ergänzt er. Das »dann doch« geschah im Frühjahr, als die UCI im Rad der belgischen Crossfahrerin Femke Van Den Driessche einen Elektromotor aufspürte. Ausgerechnet Geysen hielt den Magnetfeld-Scanner damals in der Hand hielt. Seitdem glaubt er nicht mehr, dass die Kontrollen, die er durchführt, sinnlos sind oder bestenfalls der Abschreckung dienen.

Ob seine Kontrollen auch technologisch klug sind, dazu will sich der UCI-Kommissar nicht äußern. »Ich bin kein Techniker«, meint er kurz. Die explosive Mischung aus Gerüchten über den Einsatz von Hilfsmotoren im Peloton und die Tatsache, das bislang nur eine zuvor vollkommen unbekannte Crossfahrerin erwischt wurde, legt den Verdacht nahe, dass die Kontrollen doch nicht ganz so wirksam sind. Im Frühjahr machte sich das französische Fernsehen mit Wärmekameras zu Profirennen auf. Dort, wo die UCI-Kontrolleure bei Start und Ziel nichts Verdächtiges sahen, waren auf den Monitoren der Wärmebildkameras einige ungewöhnlich erhitzte Rahmen und Tretlager zu entdecken. Da sitzen Batterie und Motor, wie sie der ungarische Ingenieur Istvan Varjas, genannt »Stefano«, konstruiert und einbaut. Sie sind nur fünf cm lang, etwa zwei Drittel kleiner als die herkömmlichen Motoren der Marke Vivax, die in zahlreichen E-Rädern eingebaut sind. Ein Vivax-Motor wurde übrigens auch bei Van Den Driessche gefunden.

Varjas Motoren sind kleiner und wohl auch leichter zu verstecken. Im Budapester Radladen Bike Express kann man Varjas Motoren ordern, inklusive Montage in den Rahmen des Kunden. Alles wird dann wieder fein verschlossen und von außen ist nichts zu sehen. Für 7000 Euro kann so jeder sein Fahrrad aufrüsten lassen. Da umfassende Blutdopingkuren mit Epo genauso teuer sind, droht Motordoping ein Massengeschäft zu werden.

Dass Motoren von Varjas auch bei den Profis eingesetzt werden - davon ist der Händler in Budapest überzeugt. Dass sie bei der Tour de France 2015 eingesetzt wurden - davon geht Jean-Pierre Verdy aus, der frühere Kontrolldirektor der französischen Antidopingagentur AFLD. »Wir hatten viele Hinweise, konnten aber nichts machen«, sagte er dem französischen Fernsehen. Als die französische Polizei im Vorjahr Ermittlungen aufnahm, lies ausgerechnet ein UCI-Mitarbeiter Varjas über Dritte vor dieser Ermittlung warnen. Varjas befand sich damals bei der Tour. Als die Warnung kam, verschwand er.

Kein Wunder also, dass Frankreich der UCI in Sachen Motorkontrollen nicht mehr richtig über den Weg traut. Die Atomenergiekommission des Landes wurde eingeschaltet, um Wärmebildkameras zu entwickeln, die während des Rennens eingesetzt werden können. So also, wie es das französische Fernsehen im Frühjahr machte. Ergebnisse sind noch nicht bekannt.

UCI-Kommissar Geysen ist zufrieden mit dieser Kontrollkonkurrenz. »Je mehr man sucht, desto besser«, sagt er. Allerdings könnte man auch besser suchen. Scans vor dem Rennen sind zwar sinnvoll, um Fahrer abzuschrecken, gleich mit einem Motor ins Rennen zu gehen. Viel größer ist aber die Gefahr, dass bei Radwechseln mitten im Rennen ein manipuliertes Rad dabei ist. Weil im Finale jeder Etappe ein Motoreneinsatz den meisten Nutzen brächte, wären Scans unmittelbar nach Zieleinlauf sinnvoll. Geysen kontrolliert die Räder aber erst, wenn die Fahrer schon längst unter der Dusche sind und die Rennmaschinen auf dem Dachgepäckträger. Die UCI liefert eine Kontrollshow anstatt echter Kontrollen.

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