Werbung

Montage_16/100 Jahre später

Ästhetik der revolutionären Schönheit - auf den Spuren von Heartfield und Grosz: nd lädt Künstler zum Wettbewerb ein

  • Lesedauer: 6 Min.

Der Anlass

Im Jahr 2016 jährt sich zum 100. Mal der Beginn der Zusammenarbeit zweier damals 23- und 25-jährigen Künstler, die zu diesem Zeitpunkt noch Helmut Herzfeld und Georg Groß hießen. »Als John Heartfield und ich 1916 in meinem Südender Atelier an einem Maientage frühmorgens um 5 Uhr die Fotomontage erfanden, ahnten wir beide weder die großen Möglichkeiten noch den dornenvollen, aber erfolgreichen Weg, den diese Entdeckung nehmen sollte«, schriebt George Grosz 1928 rückblickend in den »Blättern der Piscator Bühnen«.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass das Jahr 1916 viele Jahrzehnte als das Jahr der Umbenennung von Herzfeld und Groß in John Heartfield und George Grosz angesehen wurde, zumal beide den ins dritte Jahr eintretenden Krieg, seine Folgen und antiwestliche Stimmungen in der deutschen Gesellschaft ablehnten. Als Urheber dieser Erzählung – und auch das ist ein Irrtum – galt ebenso lange ein dritter, der jüngste im Bunde, der zu diesem Zeitpunkt gerade 20-jährig noch Wieland Herzfeld hieß. Als Wieland Herzfelde verband sich sein Name später untrennbar mit dem Verlag, der ab März 1917 eine wesentliche Bühne für Grosz und Heartfield wurde: dem Malik Verlag.

Wilde, einsame Jahre
George Grosz schrieb einen Lebensbericht, der neu erscheint / Von Klaus Bellin

Korrekt, anarchisch
George Grosz - eine Ausstellung in der Akademie der Künste Berlin / Von Harald Kretzschmar

Fähigkeiten? Ach, man muss es machen!
Der Galerist Florian Karsch hat Otto Dix, George Grosz und Otto Mueller zum Durchbruch verholfen / Von Jens Grandt

Hitler blind und Stalin lahm
Marinus und Heartfield – Politische Fotomontagen aus den 1930er Jahren in Köln / Von Marianne Bäumler

Unter ihren neuen Namen haben beide gemeinsam als »Grosz-Heartfield-Werke« und einzeln die »Ästhetik der revolutionären Schönheit« in Auseinandersetzung mit Krieg, Militarismus, bürgerlicher Fassade, Hunger, Ausbeutung und Faschismus in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts entscheidend geprägt. Sie traten kurz nach ihrer Gründung der KPD bei, die der eine, Grosz, früh wieder verließ. Die beiden anderen blieben bis zu ihrem Tod in ihre dramatische Geschichte verwickelt.

Als PropaganDaDa erklärten sie nach Ende des Krieges die Kunst für tot und ließen den wildgewordenen Spiesser auf der ersten internationalen DaDa-Messe in Tatlins Maschinenkunst auferstehen.

Der eine blickte später weiter mit kraftvollem Strich hinter die Fassade der Gesellschaft. Der zweite schnitt die Bilder seiner Zeit aus und montierte sie als Waffe neu. Der Dritte gab als Verleger mit blutigem Ernst die Bühne der Publikation. So gaben sie Büchern, Zeitungen, Grafikmappen des Malik Verlages und vieler anderer linker Verlage der 20er, Anfang 30er sowie Plakaten, Bühnenbildern und vielen anderen Publikationen mehr ihr unverwechselbares Gesicht. Im Exil trennten sich die Wege. Dem einen gelang die Flucht in die USA. Heartfield musste mangels Einreisegenehmigung und dort mehrfach interniert in London verbleiben. Nach 1945 kehrten sie nach Berlin zurück. Der eine in den Westteil und die beiden anderen in den Osten. Am 19. Juni 2016 jährt sich der Geburtstag von John Heartfield zum 125. Mal.

Die Ausstellung

Für den Zeitraum vom 1. November bis 18. Dezember 2016 ist eine Ausstellung unter dem Titel »Montage_16« mit Werken von Heartfield und Grosz aus der Zeit zwischen 1916 und 1938 am Franz-Mehring-Platz 1 geplant.

Der Wettbewerb

Im Zusammenhang mit der Ausstellung lädt die Grundstücksgesellschaft Franz-Mehring-Platz 1 mit freundlicher Unterstützung der Akademie der Künste, des Freundeskreises John Heartfield-Waldsieversdorf e. V., Ralph Jentsch und der Tageszeitung »neues deutschland« junge Künstler und Künstlerinnen zu einem Wettbewerb unter dem Titel »Montage_16/100 Jahre später« ein. Erwartet werden Arbeiten, die wie die Pioniere Heartfield und Grosz die ihrige, die heutige Zeit ausschneiden, neu montieren und mit politischem Statement verbinden. Die Arbeiten sollen parallel zur Ausstellung in den Räumlichkeiten des Franz-Mehring-Platz 1 ausgestellt werden.

Die Jury

Die Jury wird in Kürze bekannt gegeben.

Die Prämierung

Der Veranstalter vergibt für die Arbeiten ein Preisgeld von 5.000 Euro, wobei die Jury über die Aufteilung des Preisgeldes entscheidet. Mit dem Preisgeld sollen nur realisierte Arbeiten prämiert werden.

Zeitraum

Die Arbeiten von in- und ausländischen Bewerber/innen sind für die Vorauswahl in digitaler Form bis 9. September 2016 in Deutsch oder Englisch einzureichen: montage_16@franzmehringplatz.de Digitale Bewerbungen bis zu einer Datenmenge von drei MB senden Sie bitte an: oben genannte Adresse. Datenmengen über drei MB bitte über einen Link an diese Adresse.

Zur Kunst

»Die heutige Kunst ist abhängig von der bürgerlichen Klasse und wird mit ihr sterben; - der Maler, vielleicht ohne, dass er will, ist eine Banknotenfabrik und Aktienmaschine, deren sich der reiche Ausbeuter und ästhetische Fatzke bedient, um sein Geld mehr oder weniger lukrativ anzulegen, um vor sich und der Gesellschaft als Förderer der Kultur, die auch danach ist, dazustehen.«

(George Grosz, Statt einer Biographie, George Grosz und Wieland Herzfelde, Die Kunst ist in Gefahr, Malik Verlag, Bd. 3, 1925, S. 39)

»In der Kunst manifestiert sich das Leben. Unsere durch Technik und Klassenkampf gekennzeichnete Zeit hat sich in Heartfields Kunst eine außerordentlich charakteristische Ausdrucksform geschaffen. Sie ist unlösbar verknüpft mit dem Wesen der heutigen Gesellschaft... John Heartfields Kunst – Plakate, Bucheinbände, Illustrationen – ist aus dieser Erkenntnis geboren. Seine Kunst ist Waffe. Waffe im Kampf um eine neue, endlich menschenwürdige Ordnung, in der die Massen der Schaffenden nicht nur den Hunger nach Brot, sondern den nach Kultur und Kunst stillen können.«

(F.C. Weißkopf, Benuetze Foto als Waffe, Zur Ausstellung der Arbeiten von John Heartfield auf der Grossen Berliner Kunstausstellung, Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, September, 1929, S. 17)

Zur Literatur

Zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik werden vom Auslober folgende Publikationen empfohlen:

  • John Heartfield, Zeitausschnitte, Fotomontagen 1918 – 1938, Katalog zur Ausstellung der Berlinischen Galerie in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste, 2009, erschienen bei Hatje&Cantz Verlag, Ostfildern, 2009
  • Ralph Jentsch, George Grosz, 1893 – 1959, Das große Nein, Der visionäre Grosz, Katalog zur Ausstellung `14-18. Der Krieg aus der Sicht von Otto Dix/George Grosz/Dirk Braekmann, 2013/2014, Pandora Publishers, Princeton, 2013
  • Wieland Herzfelde, John Heartfield, Leben und Werk, dargestellt von seinem Bruder Wieland Herzfelde, Fundus-Bücherei 99/100, VEB Verlag der Kunst Dresden, 1962 und 1971
  • Sabine T. Kriebel, Revolutionary Beauty, The radical photomontages of John Heartfield, Regents of the University of California, 2014
  • David Evans, John Heartfield, AIZ, 1930-1938, Kent Fine Art Inc., 1992
  • Andres Mario Zervignon, John Heartfield and the Agitated Image, Photography, Persuasion, and the Rise of Avant-Garde Photomontage, University of Chicago, 2012
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal