Steinmeier und die Krim-Krise in Jekaterinburg

Russland stationiert Raketenabwehrsysteme des Typs S-400 »Triumph« auf der Halbinsel

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich wollte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der am Sonntagabend in Jekaterinburg im Ural eintraf, mit den Studenten der Boris-Jelzin-Universität - Russlands erster Präsident ist ein Sohn der Stadt - vor allem über Energieeffizienz und über Syrien reden. Jetzt steht bei der Vorlesung des deutschen Chefdiplomaten und bei dem Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow auch der Ukraine-Konflikt wieder ganz oben auf der Agenda.

Ausführlich zitierten russische Medien im Vorfeld aus einem Gespräch Steinmeiers mit deutschen Zeitungen. So schwierig es auch sei und so mühevoll mitunter jeder Millimeter Fortschritt errungen werde: Ohne Russland sei Frieden weder in Syrien noch in der Ukraine möglich. Gesprächsbedarf gebe es daher reichlich. Damit spielte der Sozialdemokrat offenbar nicht nur auf die sich häufenden Verstöße gegen die Waffenruhe in der Ostukraine an, sondern auch auf die jüngste Eskalation der Spannungen auf der Krim.

Dort hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB letzte Woche nach eigener Darstellung eine Serie von Terroranschlägen und Diversionsakten verhindert, mit denen lebenswichtige Objekte der Infrastruktur lahmgelegt werden sollten. An Vorbereitung und Planung, so das FSB-Pressezentrum, seien Sonderkommandos des ukrainischen Verteidigungsministeriums beteiligt gewesen. Regierungschef Dmitri Medwedew sprach von einem »Verbrechen gegen Russland und das russische Volk« und drohte am Freitag sogar mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das falle zwar in die Kompetenz der Präsidenten, er könne sich jedoch vorstellen, dass Wladimir Putin eine solche Entscheidung trifft. Zuvor hatte der Kremlchef Kiew, das die Schwarzmeerhalbinsel nach wie vor als Teil der Ukraine sieht, vorgeworfen, auf der Krim ein »sehr gefährliches Spiel zu spielen« und mit »ernsten Maßnahmen« für die Sicherheit der Krim und ihrer Bewohner gedroht.

Raketenabwehrsysteme des Typs S-400 »Triumph« gingen Ende letzter Woche auf der Halbinsel und in anderen Abschnitten des so genannten Militärbezirks Süd bereits in Stellung. Sie gehören zu den modernsten Waffen, die der russischen Luftabwehr derzeit zur Verfügung stehen und stellten ihre Effizienz bei der Syrien-Mission unter Beweis, wo sie unter realen Bedingungen »getestet« wurden. Zwar gelten sie als Defensivwaffen, können aber, da sie eine Reichweite von 400 Kilometer haben, im Falle eines Angriffs Ziele in der Luft über nahezu dem gesamten Gebiet der Ukraine vernichten.

Das und die Umgruppierung russischer Einheiten auf der Krim wertete Kiew bereits als Vorbereitung Moskaus für eine Invasion. Russische Generalstäbler halten einen solchen Einmarsch von der Krim her zwar für die militärisch dümmste aller möglichen Varianten. Kritische Beobachter haben dennoch ein ungutes Gefühl und ziehen Parallelen zu Russlands Augustkrieg mit Georgien 2008. Auch damals sei die Lage allmählich aber stetig eskaliert, auch damals habe es einen zeitlichen Zusammenfall zwischen Kampfhandlungen und Olympischen Sommerspielen - in Peking - gegeben.

Mit der erneuten Eskalation der Spannungen erklären sie auch die überraschende Entlassung von Sergei Iwanow als Chef der Kremladministration am Freitag. Sie ist Russlands eigentliches Machtzentrum; das Amt macht den Inhaber de facto zur Nummer zwei der Hierarchie. Putin tausche Freunde zunehmend gegen pflegeleichtere Bürokraten aus. Mit Iwanow, seinem alten Kameraden aus gemeinsamen KGB-Tagen, gebe es im Ukraine-Konflikt Differenzen, so Beobachter. Iwanow, lange ein Scharfmacher, soll den Präsidenten inzwischen zur Deeskalation drängen, um den Sanktionsdruck gegen Russland zu lockern.

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