Hochspannung im neuen Gewand

In Dresden stehen zwei Theaterbauten vor der Vollendung, an einigen Ecken wurde gespart

  • Sigurd Schulze
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich selbstverständlich, in Deutschland dennoch eine Ausnahme: Die neue Staatsoperette Dresden und das »theater junge generation« (tjg) können planmäßig am 16. Dezember eröffnet werden. Mitte August zeigte das Presseamt Dresden den Medienvertretern die neuen Gebäude. In beiden Häusern ist der Innenausbau in vollem Gange. Die Bühnen mit ihrem enormen technischen Apparat werden montiert, Wände und Decken sind oder werden verkleidet, in der Staatsoperette wird das Parkett verlegt und im »theater junge generation« die Sitze gepolstert. Am 30. September werden beide Häuser an die Nutzer übergeben, erklärt der Projektleiter Florian Brandenburg. Er verkörpert hier den Bauherrn, die Kommunale Immobilien Dresden GmbH, die die Theatergebäude im ehemaligen Kraftwerk Mitte ebenso wie den Kulturpalast Dresden auf- oder umbauen lässt und sie dann als Eigentum der Stadt Dresden verwaltet. Nutzer sind in diesem Falle die Staatsoperette Dresden und das »theater junge generation«. Nach der Übergabe beginnt der künstlerische Probenbetrieb und im Dezember werden alle betriebstechnischen Einrichtungen auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft.

700 Plätze wird es in der Staatsoperette geben, Zugang und gute Sicht für Behinderte werden gewährleistet. Der »große« Saal des tjg hat 350 Plätze. Mit seinen schwarzen Wänden wirkt er intim wie ein Kino, hat aber genau die richtige Größe, »damit sich die Dynamik im Saal entwickeln kann«, sagt die Intendantin Felicitas Loewe. Das ehemalige Maschinenhaus des Kraftwerks, großräumig und hell, dient als Empfangsgebäude mit Kassen, Garderoben und Aufzügen. Die klassische Ziegelbau-Fabrikhülle ist zwar erhalten, von innen jedoch ist alles nagelneu. Etwas störend sind nur die steilen Treppen - entworfen von jungen Leuten für junge Leute.

Im Projekt des tjg war eine Drehbühne vorgesehen. Sie wurde jedoch eingespart, um den Kostenplan von 96 Millionen Euro einzuhalten. 300 000 bis 400 000 Euro hätte die Drehbühne gekostet. Dass diese Einsparung sich lohnt, darf bezweifelt werden. Denn Halbheiten drängen meist zur Nachrüstung, die dann meist teurer werden als der Neubau. Bekanntlich passiert es in Deutschland nicht selten, dass Projekte erst schöngerechnet werden, um sie beschließen zu können. Später werden dann Nachbesserungen erzwungen, damit das Projekt nicht als Ruine verkommt.

Bei beiden Dresdner Bauvorhaben - Kraftwerk Mitte und Kulturpalast - versichern die Projektleiter, dass sie terminlich und finanziell im Plan liegen. Das bedeutet, in beiden Fällen wurde seriös geplant. Desto kleingeistiger wirkt es, wenn nicht in einem bemessenen Spielraum Mehrkosten genehmigt werden.

Am 16. Dezember werden die Theater in Festakten mit »bundesweiter Prominenz« eröffnet. Ab dem 17. Dezember werden die Bühnen dann offiziell bespielt. Für die Eröffnung verkünden die Intendanten, Wolfgang Schaller und Felicitas Loewe, ihre Pläne. In der Staatsoperette hat »Orpheus in der Unterwelt« von Jacques Offenbach Premiere. Das tjg bietet unter dem Motto »Hochspannung« gleich acht Premieren. Das wird durch die drei Spielstätten möglich: die große, die kleine und die Studiobühne.

Mit den Neubauten werden jahrzehntealte Provisorien überwunden. Die Staatsoperette zieht von einem seit 1947 genutzten Ballhaus in Leuben endlich »in die Stadt«, und das tjg aus Cotta ins Zentrum. Die baulichen Notlösungen haben die Sänger, Tänzer, Schauspieler und Orchestermusiker, Dirigenten und Regisseure nie daran gehindert, künstlerische Glanzleistungen zu zeigen. Sowohl in der DDR- als auch während der bundesdeutschen Ära bot die Staatsoperette Dresden ein Spitzenensemble. Darauf ist Wolfgang Schaller stolz. Genauso wie auf den eigenen Beitrag seiner Belegschaft zum Theaterbau. Als der Neubau wieder einmal auf der Kippe stand, beschlossen die Künstler, Techniker und Verwaltungsangestellten, auf acht Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Das Opfer der Belegschaft wurde für die Stadt zum Zwang, endlich zu bauen. Dreizehn Millionen Euro werden bis 2021 durch den Gehaltsverzicht zusammenkommen. Ob die Mitarbeiter, die dadurch gewissermaßen als Genossenschaft beteiligt sind, als Miteigentümer ins Grundbuch eingetragen werden, ist noch offen.

Als »Nebenwirkung« ist mit der Stadt vereinbart, dass die Entlohnung exakt nach dem Flächentarif erfolgt. Auch jede Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst wird übertragen. Davon geben die Beschäftigten acht Prozent an die Stadt ab. Schaller ist überzeugt: Ab 1.Januar 2022 wird der volle Tariflohn gezahlt. Als Modell sollte nicht gelten, dass Arbeiter und Angestellte ihren Arbeitsplatz selbst finanzieren. Dennoch verdient die Initiative Respekt.

Unterdessen hat der Umzug beider Theater begonnen. Die Intendanten sitzen in ihren Zimmern, die Verwaltung kommt aus dem Urlaub an den neuen Arbeitsplatz. Schaller freut sich über die himmlische Ruhe im Vergleich zu Leuben.

Eine zweifelhafte Lösung bleiben die Parkplätze. Während mit dem Durchgang von der Tiefgarage am Altmarkt direkt in den Kulturpalast eine elegante Lösung gefunden wurde, ist auf dem 38 000 Quadratmeter großen Kraftwerksgelände kein Parkplatz geplant. Der soll jenseits des Eisenbahndamms liegen. Das bedeutet einen Fußweg von 281 Metern über eine äußerst stark befahrene Kreuzung. Warum auf dem gegenwärtigen Baustellengelände kein Parkplatz angelegt wird, ist unklar. Ein Parkhaus würde sich durch die Parkgebühren rentieren.

Eine weitere Halbheit, die sich Dresden nicht erlauben sollte - will die Stadt doch Kulturhauptstadt 2025 werden. Vielleicht brauchen Politiker bei den nächsten Kommunalwahlen aber auch Stoff für Wahlversprechen.

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