Türkische Wissenschaftler schlagen Alarm

»AkademikerInnen für den Frieden« bitten um Unterstützung gegen Erdogans »Massensäuberungen« an Universitäten

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 2 Min.

Die türkische Militäroffensive gegen die Kurden in Nordsyrien und dem Südosten der Türkei wird von einer massiven Repressionswelle gegen kritische Wissenschaftler und Staatsbedienstete begleitet. 80.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ließ die türkische Regierung bislang suspendieren, am Freitag noch einmal 50.000 Staatsbedienstete, Anfang der Woche drohte Ministerpräsident Binali Yildirim mit der Absetzung von 14.000 Lehrern im Südosten der Türkei. Sie seien »irgendwie mit dem Terror verwoben«, so Yildirim, und meinte damit Verbindungen zu der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Etwa 41.000 Menschen wurden seit Mitte Juli festgenommen, 22.000 von ihnen sind weiterhin im Gefängnis, darunter viele Akademiker.

In einem dringenden Appell an die internationale Zivilgesellschaft bitten »AkademikerInnen für den Frieden«, ein türkisches Netzwerk kritischer Hochschullehrer, jetzt um Hilfe. Anfang des Jahres hatten sie unter dem Motto »Wir wollen nicht Teil dieses Verbrechens werden« eine Petition veröffentlicht, die ein sofortiges Ende der im Dezember eingeleiteten militärischen Angriffe gegen Kurden forderte. »Dieses vorsätzliches und geplante Massaker stellt einen ernsten Verstoß gegen türkische Gesetze und gegen internationale Verträge dar«, schrieben sie in dem Aufruf, der vom 2218 Intellektuellen aus der Türkei sowie von prominenten Wissenschaftlern wie Noam Chomsky, Judith Butler und Slavoj Žižek unterstützt wurde.

»Seitdem sind die Unterzeichnenden die Zielscheibe massiver Repressionen und Verfolgung«, schreibt das Netzwerk dem aktuellen Aufruf zur Solidarität (deutsche Übersetzung hier). Hunderte von ihnen hätten disziplinarische und strafrechtliche Ermittlungen über sich ergehen lassen müssen, außerdem Gewahrsam, Verhaftungen oder gewalttätige Übergriffe. Bereits im Januar hatte Erdogan gegen 1200 Unterstützer Ermittlungen wegen »Beleidigung des Staats« einleiten lassen.

Die Repressionswelle habe bereits vor dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli begonnen, sei danach jedoch verstärkt worden – unter dem Vorwand, Personen aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu wollen, die mit dem für den Putsch verantwortlich gemachten Geistlichen Fethullah Gülen in Verbindung stehen sollen. Von der jüngsten Entlassungswelle sind 41 Unterzeichner der Friedenspetition betroffen. Diese »Massensäuberung« mithilfe eines Dekrets im Ausnahmezustand stelle eine »ernste Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte« dar, da den Betroffenen das Recht auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren genommen werde. Ihr Arbeitsplatz werde ihnen verwehrt, die Reisepässe eingezogen.

In dem Appell fordern die Wissenschaftler die türkische Regierung dazu auf, die suspendierten Kollegen in den öffentlichen Dienst zurückkehren zu lassen, und bitten die internationalen Kollegen um Unterstützung.

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